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Westdeutsche Zeitung: Die Ideen der Hannelore Kraft zu Hartz IV verfehlen das Ziel

Archivmeldung vom 08.03.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.03.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Und noch eine Finte im Kampf um die Lufthoheit über den Stammtischen. Nach Guido Westerwelles Forderung, Hartz-IV-Empfänger sollten doch die Bürgersteige von Schnee befreien, bereichert nun die Vorsitzende der NRW-SPD, Hannelore Kraft, die Diskussion um einen verzichtbaren Beitrag. Sie schlägt vor, dass Langzeitarbeitslose beispielsweise in Altenheimen als Vorleser fungieren sollen.

Jeder Vierte werde ohnehin keine richtige Arbeit mehr finden. Das ist das Eingeständnis, dass der rot-grüne Plan, Arbeitslosen über Ein-Euro-Jobs die Rückkehr auf den ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen, gescheitert ist.

Und schon frohlockt die politische Konkurrenz, und es entzündet sich die sattsam bekannte Debatte, in der es um alles geht, nur nicht um die wirklich wichtigen Fragen: Welchen Sozialstaat kann Deutschland sich in Zukunft noch leisten? Wie kann Hartz IV reformiert werden, ohne den wirklich Bedürftigen zu schaden und ohne Steuern sowie Lohnkosten zu erhöhen?

Weder Westerwelle noch Kraft haben darauf bisher Antworten gegeben. Was sie fordern, mag an manchem Stammtisch Jubelstürme auslösen, aber es hilft nicht, weil es den Sozialetat nicht entlastet. Denn weder fürs Schneeschippen noch fürs Vorlesen in Altenheimen gibt der Staat bisher Geld aus.

Es spricht natürlich überhaupt nichts dagegen, dass Leistungsempfänger dort arbeiten, wo sie privatwirtschaftliches Engagement nicht beeinträchtigen. Und so mancher Ehrenamtler wäre sicher froh um zusätzliche Unterstützung durch wirklich motivierte Helfer. Aber mit der Diskussion um die Zukunft von Hartz IV hat all das nichts zu tun. Hier geht es um die Frage, ob Regelsätze die richtige Höhe haben. Es geht darum, ob Unterstützung nicht auch als Sachleistung gewährt werden sollte. Und es geht um die Frage, wie der Staat verhindern kann, dass Hartz-IV-Karrieren von Eltern auf ihre Kinder vererbt werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat angenehm unaufgeregt über Sachleistungen in Form von Bildungsangeboten für Kinder nachgedacht. Das ist endlich eine der richtigen Antworten auf die vielen offenen Fragen zur Zukunft von Hartz IV. Weitere müssen folgen. Dabei ist eines sicher: In der Luft über Stammtischen sind sie nicht zu finden.

Quelle: Westdeutsche Zeitung

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