Neues Deutschland: zum Entwurf des Einheitsdenkmals
Archivmeldung vom 14.04.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWir sind schon lang nicht mehr das Land der Richter und Henker, sondern wieder: der Dichter und Denker. Die uns bestätigen, dass wir nicht nur den »Zerbrochnen Krug« haben, sondern auch schöne, sinnreich gefüllte Schalen. Wo guter Geist entweicht: »Schon ahn ich aus der Schale Weihrauchduft./ Er rüstet sich, das hohe Werk zu segnen;/ Es kann fortan nur Glückliches begegnen.« Goethe, »Faust«.
Passend zum favorisierten Entwurf fürs Freiheits- und Einheitsmal. Dass die furiose Choreografin Sasha Waltz das Werk mitschuf, ist verdienstvoll: Endlich jemand, der in Sachen Einheit und Freiheit etwas von arg vernachlässigter Balance versteht. Komm auf die Schale, Luise! - die Schüssel ist begehbar und heißt: »Bewegte Bürger«. Hintersinnig: Man kommt in deutscher Freiheit leicht ins Schlingern. Vielleicht ist Waltz auch deshalb als Expertin dabei, weil das Thema inzwischen viel mit dem Tanz ums Goldene Kalb zu tun hat. Gerhart Hauptmann schrieb: »Vor mir eine große goldne Schale«, auf deren Grund eine schwarze Kugel: »Rolle sie, daß deine Schale klinge,/ und sie doch den Rand nicht überspringe,/denn sonst legt sich Nacht auf alle deine Bahnen!« Hauptmann beschreibt eine Gefahr, der das Denkmal entgeht, obwohl es »lebensnah« sein soll: Die Anlage dreht sich nicht, es packen den bewegten Bürger auf der neuen deutschen Schale also keine Zentrifugalkräfte. So wie im Leben - wo man schnell an den Rand gedrängt wird und hilflos durch die Freiheit fliegt.
Quelle: Neues Deutschland