Leipziger Volkszeitung zum deutschen IT-Gipfel
Archivmeldung vom 19.12.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.12.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas Aufgebot war groß. Auf dem gestrigen IT-Gipfel setzen sich Kanzlerin Angela Merkel mit zahlreichen Politikern und 250 Managern sowie Wissenschaftlern zusammen, um der Informationstechnologie (IT) in Deutschland Auftrieb zu geben. Mehr als ein kleiner Schubs - gemessen an der Komplexität des Problemfeldes - ist im Gefolge des Treffens aber nicht zu erwarten.
Gut ist, dass die Regierung die Informationstechnologie als besonders
unterstützenswerte Sparte erkannt hat. Bis 2009 sollen rund 1,2
Milliarden Euro Fördermittel fließen. Der Multiplikationseffekt, der
dadurch ausgelöst wird, ist nicht zu unterschätzen. Schließlich ist
die IT durch ihre Querschnittsfunktion die Schlüsselindustrie für
Innovationen, die alle Bereiche des Lebens durchziehen und
grundlegend verändern. Kaum eine andere Technologie krempelte in so
kurzer Zeit den Alltag der Menschen derart stark um. Das Telefon als
ständiger Begleiter mauserte sich und fungiert nun zugleich als
Fotoapparat und Radio. Der PC - ohne ihn kommt faktisch kein Beruf
mehr aus. Oder die kleinen IT-Bausteine, die in Millionen Maschinen,
Apparaten und Fahrzeugen ihren Dienst tun. Kein Wunder, dass die
Branche mit 800 000 Beschäftigten und 150 Milliarden Euro
Jahresumsatz zu den größten in Deutschland gehört. Trotzdem kann sie
den weltweit führenden Amerikanern nach wie vor nicht den Schneid
abkaufen. Daran wird der Potsdamer Gipfel nichts ändern.
Aber nicht nur das. Wichtige Aspekte sind dort gar nicht erst auf die
Tagesordnung gesetzt worden. Fragen der Datensicherheit etwa. Wie
soll beispielsweise verhindert werden, dass ganz persönliche
Informationen der Gesundheitskarte in falsche Hände gelangen? Wenn
schon jetzt möglich ist, sich in Handys einzuklicken und auf Kosten
des Besitzers in die ganze Welt zu telefonieren. Das musste kürzlich
ein Anbieter eingestehen, da zum gleichen Zeitpunkt von ein und
derselben Mobilfunk-Nummer zwei verschiedene Anschlüsse angerufen
wurden. Vom gläsernen Bürger ist die Welt nicht mehr weit entfernt.
Erstaunlich daher, dass auf dem Gipfel lediglich ein
Verbraucherschützer vertreten war. Mehr als ein Feigenblatt ist das
nicht.
Schließlich drängt ein weiteres Problem: der Fachkräftemangel. Schon
jetzt beklagt die Hälfte der IT-Unternehmen, Stellen nicht besetzen
zu können. Experten rechnen zudem mit einer fünfstelligen Zahl an
Jobs, die in dieser Wachstumsbranche bis 2010 noch hinzukommen
könnten. Der ehemals größte deutsche Standortvorteil - gut
ausgebildetes Personal - entwickelt sich zunehmend zum
Standortnachteil. Selbst wenn in der Bildungspolitik rasch
umgesteuert würde, von heut auf morgen sind Spitzenleute nicht zu
haben. Selbst durch Abwerbung in anderen Ländern nicht wie sich
gezeigt hat. Zumal die Konkurrenz ebensowenig schläft. IT ist eben
ein weites Feld.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung