WAZ: Kranke Seelen
Archivmeldung vom 12.03.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas Gasthaus in Winnenden, es heißt "Traube", und mitten auf dem Marktplatz steht ein Brunnen, achteckig, mit einer Statue der Göttin der Gerechtigkeit.
Beschaulich nennt man solch schwäbische Idylle. Aber weil wir doch wissen wollen, ob man den Horror nicht sehen, hören, spüren, vielleicht sogar erkennen kann, fragen wir uns beklommen: Ist das wirklich möglich, dass er hier aufgewachsen ist, der Junge, der 15 Menschen erschoss, hier, zwischen gepflegten Vorgärten und blitzsauberem Bürgersteig?
Dann betrachten wir die Fotos des Tim Kretschmer, der Tischtennis spielte, im Gemeindebrief unter den braven Konfirmanden geführt wird, im März 2006 war das, noch gar nicht so lange her - und werden noch ratloser.
Können wir unsere Kinder schützen, wenn wir die Schulen in Festungen verwandeln? Wohl nicht. Eisentüren vor allen Klassenzimmern lösen die Probleme nicht. Es sind die kranken Seelen, denen wir uns zuwenden müssen.
Die Tat hätte verhindern werden können, behaupten Psychologen. Es gibt stets Warnsignale. Es muss aber natürlich auch einer da sein, der hinschaut.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (von Ulrich Schilling-Strack)