Börsen-Zeitung: Die politische Aufsicht
Archivmeldung vom 04.05.2018
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Freigeschaltet durch André OttNie war sie so politisch - und vielleicht gerade dadurch selten so wertvoll - wie heute. Die Rede ist nicht von Klosterfrau Melissengeist, sondern von der BaFin. Obendrein hat man schon lange keinen Chef der deutschen Finanzaufsicht erlebt, der seinen Emotionen derart freien Lauf ließ wie Felix Hufeld am Donnerstag. Gefühlsausbrüche, zuweilen anderer Art, kannte man von seinem Vorvorgänger Jochen Sanio: Da sollen in Krisensitzungen auch mal die Flaschen vom Tisch geflogen sein.
Es ist mehr als ungewöhnlich, dass der oberste Finanzaufseher der Republik die Jahrespressekonferenz mit dem Bekenntnis beginnt - wohl eher: beginnen muss -, er sei ein leidenschaftlicher Europäer. Doch ohne diese absolut glaubwürdige Vorbemerkung könnten Kritiker Hufeld schnell in eine Ecke stellen, in die er so ungefähr als Letzter gehört: Kleinkariertheit, Unsolidarität oder gar Deutschtümelei.
Die BaFin wehrt sich gegen die von der EU-Kommission betriebene Reform der europäischen Aufsichtsbehörden EBA (Banken), EIOPA (Versicherungen) und ESMA (Märkte), die "ESAs". Dabei fährt Hufeld schweres Geschütz auf: Er warnt vor der Schaffung eines "bürokratischen Monstrums mit überlappenden Kompetenzen", hält es für eine "Schnapsidee", neben der EZB die Regulierungsbehörde EBA als weitere Aufsichtsinstanz etablieren zu wollen, sieht eine Aufgabenverlagerung "mit der Brechstange", und zwar durch die Hintertür der Verwaltung, wo die Politik zuständig wäre.
In der Tat legen die Brüsseler Pläne den Verdacht nahe, hier gehe es um eine Machtverschiebung und -zentralisierung weg von den nationalen Stellen hin zu den ESAs. Die 2011 als vernetztes System eingeführte Aufsichtsarchitektur würde damit ohne erkennbaren sachlichen Grund umgekrempelt, insbesondere die in Paris ansässige ESMA erhielte ganz neue Kompetenzen. Daher erinnert der leidenschaftliche Europäer zu Recht an das europäische Subsidiaritätsprinzip. Seine Argumentation ist so überzeugend wie das entschiedene Plädoyer gegen die verfrühte Vergemeinschaftung der Einlagensicherung, die unter den heutigen Bedingungen (notleidende Kredite) ein "Akt europäischer Umverteilung" wäre.
Epilog: Darf der das überhaupt? Die BaFin untersteht der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesfinanzministeriums. Bei allem Selbstbewusstsein, das einem Aufsichtspräsidenten zusteht: Man sollte davon ausgehen, dass der brillante Rhetoriker Hufeld sich nicht so weit aus dem Fenster lehnen würde, wäre er sich der Rückendeckung von Olaf Scholz nicht sehr sicher.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Bernd Wittkowski