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Kleinstaaterei: Kommentar zum Kohlegipfel

Archivmeldung vom 16.01.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.01.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Der beschleunigte Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2038 kostet inklusive Strukturwandelhilfen, Entschädigungen für die Unternehmen, Vorruhestandsgeldern und strompreisdämpfender Staatshilfen annähernd 100 Mrd. Euro. Das Geld ist vermutlich gut angelegt. Das Mammutprojekt soll die Erderwärmung bremsen.

Es läge nahe, dass in den Verhandlungen über den genauen Fahrplan die Frage im Vordergrund steht, wie mit einem bestimmten Aufwand möglichst viel CO2 eingespart wird - oder wie eine bestimmte Menge CO2 mit möglichst wenig Aufwand eingespart wird. Beides scheint kaum noch jemanden zu interessieren. Stattdessen entwickeln sich die Verhandlungen auf den letzten Metern im Kanzleramt zu einer kleinkarierten Neuauflage des deutschen Ost-West-Konflikts.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff verweigerte dabei jeglichen Beitrag seines Bundeslandes, obwohl der Löwenanteil der abzuschaltenden Braunkohlekraftwerkskapazität, die bis Ende 2022 vom Netz gehen soll, ohnehin schon von RWE mit 2,5 Gigawatt im Rheinischen Revier beigesteuert wird. Mindestens 0,5 Gigawatt müssen nach den Vorgaben der Kohlekommission allerdings noch zusätzlich vom Netz gehen. Ins Auge gefasst wurde dafür Schkopau in Sachsen-Anhalt. Dies war aber nach wie vor strittig. In Rede steht auch eine Umrüstung von Schkopau auf Gas. Im Gegenzug könnte Betreiber Uniper das hochmoderne Steinkohlekraftwerk Datteln in NRW in Betrieb nehmen, das praktisch fertiggestellt ist.

Haseloff pocht darauf, dass es im Osten wie zunächst angepeilt in der ersten Runde bis Ende 2022 keine Braunkohle-Schließungen geben soll. Angesichts der schon beschlossenen Strukturwandelhilfen des Bundes über 40 Mrd. Euro, mit denen auch in Sachsen-Anhalt neue Straßen und Schienen sowie Arbeitsplätze geschaffen werden, scheint Haseloffs Querschießen recht maßlos. Ebenso wie bei der Braunkohle wird voraussichtlich auch bei der Steinkohle der Löwenanteil der ersten Schließungsrunde im Westen getragen - und zwar im Ruhrgebiet, das wohl als ebenso strukturschwach wie Sachsen-Anhalt gelten darf. Vor allem den kommunalen Energiekonzern Steag trifft es dort.

Geld sollte nicht an denjenigen fließen, der am lautesten schreit. Es gibt außer der Energieindustrie auch noch andere Branchen mit strukturellen Schwierigkeiten wie die Autoindustrie. Alles abzufedern kann teuer werden - und ein Klimaschutz, der ineffizient vorangetrieben wird, wäre ein schlechtes Vorbild für weniger wohlhabende Länder.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Christoph Ruhkamp

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