WAZ: Die Folgen der Kohlestiftung Kein Baron weit und breit
Archivmeldung vom 16.06.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWas ist die Kohlestiftung nun für ein seltsames Gebilde: Ein neues Machtzentrum im Revier, ein Thron für einen Ruhrbaron oder eine Abwicklungsinstanz für den sozialverträglichen Abbau des Steinkohlebergbaus?
Ersteres ist ausgeschlossen, schon in Ermangelung eines
Ruhrbarons. Der Ruhrbaron der Vergangenheit zeichnete sich durch eine
Macht aus, die im Wesentlichen von dem engen Geflecht zu den
Gewerkschaften getragen wurde. Dieser Ruhr-Kapitalismus hatte viel zu
tun mit der außerordentlich schlagkräftigen Organisation der heutigen
Industrie-Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie. Und er hatte viel zu
tun mit annähernd 40 Jahren, in denen die SPD in NRW die politische
Macht ausübte.
Heute noch hallen manchem Kumpel und Genossen die Rufe der
"großen Schlacht" nach: 1997 marschierten Bergleute mit wehenden
Fahnen und SPD-Unterstützung durch die Bannmeile des Bundestags, als
es um den Widerstand gegen die Kürzung der Subventionen ging. Noch
heute ist die IG BCE beeindruckend organisationsfähig. Während der
heißen Phase der Ausstiegsverhandlungen schaffte sie innerhalb
weniger Stunden 10 000 Kumpel vor den Landtag in Düsseldorf. Das aber
sind Zeichen letzten Aufbäumens, denn eines ist mit der
Steinkohlestiftung klar: Die große Schlacht ist geschlagen.
Aus der IG Bergbau, Chemie, Energie wird unter vorausschauendem
Handeln ihres Chefs Hubertus Schmoldt absehbar die IG Chemie,
Energie. Schmoldt weiß schon lange, dass das nicht aufzuhalten ist.
Also machte er das beste daraus: drei von 13 Sitzen im
Stiftungskuratorium, mehr war nicht drin. Montanmitbestimmung ist das
aber nicht mehr. Mit den Jahren sinkt der Einfluss der Gewerkschaft
weiter. Nicht allein deshalb verbietet es sich, von neuen Ruhrbaronen
zu sprechen: Auch CDU-Mann Bonse-Geuking ist kein Baron. Auf welche
Machtbasis sollte er sich stellen?
Gewiss wird die Stiftung Pöstchen vergeben, sie wird Geld
ausgeben, Parteipolitik wird Ansprüche stellen. Das ist so in solchen
Konstruktionen. Die Stiftung hat aber klare Regeln, sie wird unter
Bonse-Geuking das tun, was ihre Aufgabe ist: Geld einwerben, um die
Steuerzahler von den Altlasten des Bergbaus zu befreien. Dennoch ist
die Stiftung mehr als eine Abwicklungsinstanz: Sie wendet alte
Strukturen in die Zukunft. Und siehe da: Bald stehen im Revier bloß
noch strotznormale Unternehmen mit strotznormalen
Vorstandsvorsitzenden. Kein Baron weit und breit.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung