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WAZ: Das Aus für den Transrapid

Archivmeldung vom 29.03.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.03.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Hermann Kemper aus Osnabrück erhielt 1934 das Reichspatent Nr. 643316 für eine "Schwebebahn mit räderlosem Fahrzeug, die an eisernen Fahrschienen mittels magnetischer Felder schwebend entlang geführt wird". Kemper hatte sich über das Geratter der Züge geärgert und sich Gedanken über eine lautlose Alternative gemacht. Anfang der 70er Jahre sauste das Reichspatent als Transrapid über die Testbahn. So lang ist das schon her!

Transrapid - tolle Sache: Die Idee überzeugt, die Technik fasziniert, und sie funktioniert prima. Die Magnetbahn traf auf die technikgläubige Nation der Nachkriegszeit. Alles schien machbar, jedes Problem durch Ingenieurskunst lösbar, sie beflügelte die Fantasie von Politikern und Bürgern, keine Vision einer modernen Stadt kam ohne die Magnetbahn aus. Doch sie floppte. Warum?

Weil sie zu teuer war, weil sie zu spät kam, weil andere Technologien sie eingeholt hatten, weil sie nicht gebraucht wurde. Stattdessen wurde die Magnetbahn zum Symbol erhoben. Zum Symbol der technischen Leistungsfähigkeit Deutschlands. Und das hatte schon was, damit ließ sich Staat machen: Die einzige einsatzfähige Magnetbahn der Welt! Allein der Symbolwert hielt sie so lange am Leben, künstlich beatmet von Milliarden Steuer-Euros. Und deshalb ist nach dem Aus für den Transrapid der Katzenjammer nun so groß.

Die Liste hoffnungsvoller und überzeugender, jedoch schließlich gefloppter Erfindungen ist lang. Das Riesenwindrad Growian gehört dazu. Nach dem Motto "größer ist besser" sollte es 100 Meter hoch werden und eine gigantische Leistung aufweisen. Die Ingenieure bekamen die Probleme nicht in den Griff, das Ding wurde demontiert. Ähnlich erging es dem Cargolifter, einem neuartigen Lastenzeppelin, der über unwegsamen Gebieten schwere Güter absetzen sollte - eine an sich gute Idee. Auch die Brütertechnologie in der Kerntechnik bereichert den Friedhof der Innovationen.

Innovationen lassen sich nicht planen. Scheitern, nicht Erfolg, ist der Regelfall. Das lehrt die "Flopologie", ein eher übersehenes, jedoch nicht unwichtiges Teilgebiet der Technikgeschichte. Studien zeigen, dass in der Industrie etwa 85 Prozent der Entwicklungszeit auf Produkte verwendet wird, die nie auf den Markt kommen. Warum wir davon nichts hören? Scheitern ist nicht sexy, Unternehmen verweisen lieber auf ihre Erfolge. Doch was klüger macht, sind Miss-erfolge. Und sei es nur die Erkenntnis, dass es gescheiter gewesen wäre, beim Transrapid den Stecker schon früher zu ziehen.

Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (von Christopher Onkelbach)


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