Schwäbische Zeitung: Eiskaltes Regime
Archivmeldung vom 04.02.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSie kam als Stimme Europas. Bei ihrer China-Reise wiederholte Kanzlerin Angela Merkel immer wieder eine Botschaft: Die Eurokrise lässt sich lösen. Merkel wollte beruhigen, denn Europa braucht die chinesischen Investitionen. Diese Nachricht ist angekommen, die Kanzlerin gilt als solide und vertrauenswürdig. China reagierte erfreut und gab Merkel seinerseits eine Botschaft mit: Im Gegensatz zu vorher "erwäge" Peking nun, sich am künftigen Europäischen Rettungsschirm zu beteiligen.
Viel mehr will Premier Wen Jiabao nicht zusagen - denn dem eigenen Volk ist der Gedanke, dass China die reichen Europäer mit den hart erarbeiteten Devisen retten soll, schwer zu vermitteln.
Andererseits braucht China ein stabiles Europa - als Absatzmarkt, als Lieferant und als strategisches Gegengewicht zu den USA. Chinas Selbstbewusstsein wächst unterdessen weiter: Als weltgrößter Gläubiger mit Billionenreserven hat die Volksrepublik bereits die USA im Griff. Und die Zeiten, in denen die mittlerweile 1,3 Milliarden Chinesen billige Werkbank der Welt waren, sind längst vorbei. China sammelt knallhart kalkulierend weltweit Macht in Form von Rohstoffen, Devisen und Know-how. Das zeigt sich nicht nur in Asien, Amerika und Afrika, sondern direkt vor der Haustür, wie auch der Kauf des Aichtaler Betonpumpen-Weltmarktführers Putzmeister dieser Tage zeigt.
Bei der Münchener Sicherheitskonferenz wird man zudem erneut konstatieren, dass die Welt ihren Fokus gen Asien verschiebt. Unter diesen Vorzeichen verkommen Menschenrechte zu Randthemen. Die deutsche Kanzlerin selbst bekam gestern zu spüren, wie die sonst so höflichen Gastgeber mit Kritikern umspringen. Ein Menschenrechtler wurde von Polizisten gehindert, zu ihrem Empfang in die deutsche Botschaft zu kommen. Pekings Funktionäre stoßen ungerührt die mächtigste Politikerin Europas vor den Kopf. Damit zeigen sie: Hinter dem strategischen Partner und guten Freund verbirgt sich ein eiskaltes Regime.
Quelle: Schwäbische Zeitung (ots)