Neues Deutschland: zur Diskussion um Bundespräsident Wulff
Archivmeldung vom 21.12.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas wird ein Fest! Oder eine schöne Bescherung für die Kanzlerin: Der Auftritt des Bundespräsidenten am Heiligen Abend vor den Kameras. Formuliert er Sätze wie jenen, den er kürzlich Bankern ins Stammbuch schrieb, begeht er öffentlichen Selbstmord. »Wer zur Elite eines Landes gehören will, der muss auch Vorbildfunktion und Verantwortung übernehmen - ohne Wenn und Aber«, hatte Wulff gesagt und freilich nicht sich selbst gemeint. Hebt er den moralischen Zeigefinger gar nicht, wird er seinem Amt nicht gerecht.
Fest steht, nicht nur Wulff ist in der Klemme. Auch die Kanzlerin kommt nicht ohne Blessuren davon. Aber vielleicht ist das auch der Sinn der Übung. Womöglich geriet der von Merkel handverlesene erste Mann im Staate stellvertretend für sie ins Fadenkreuz unzufriedener Konservativer in der Union, denen die angebliche Sozialdemokratisierung der CDU seit Jahren stinkt. Genug selbstsüchtige oder naive Ansatzpunkte hat Wulff denen geliefert, als scharfes Kaliber war er ohnehin nicht zu fürchten. Als Merkel den Niedersachsen ins Bellevue hievte, brauchte er drei Wahlgänge. Allen war damals klar: Das richtete sich nicht gegen ihn, sondern gegen die Kanzlerin. Jetzt bemüht sie sich mit immer neuen Ehrenerklärungen, Wulff zu halten. Doch ihre Rufe verhallen - ähnlich wie beim forschen Freiherrn aus Franken. »Etwas ist aus den Fugen geraten«, erklärte Wulff im Juni in der »Zeit«. Er ahnte wohl nicht, nur ein Rädchen im Getriebe zu sein. Doch es hakt in der Steuerung - der Kanzlerschaft.
Quelle: Neues Deutschland (ots)