WAZ: Der Fall Vattenfall: Langer Abschied vom Atom
Archivmeldung vom 10.07.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.07.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAnhänger von Verschwörungstheorien könnten glauben, bei Vattenfall säßen überzeugte Atomkraftgegner im Vorstand. Da kommt es in den Atomkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel zu Pannen, deren Schwere man auch knapp zwei Wochen später noch nicht einschätzen kann. Schlimm genug. Doch vor allem das, was danach geschah, macht diese Havarien zu einem echten Skandal.
Der Betreiber Vattenfall
vertuscht, verharmlost, fährt eine arrogante Desinformationspolitik.
Als betreibe man in Krümmel einen Kanonenofen - und nicht eine höchst
gefährliche Anlage, die Millionen Menschen gefährden kann. So schafft
man sich Gegner.
Vattenfall hat nicht nur als Betreiber der Atomkraftwerke
versagt, sondern auch als Unternehmen, das in politischer
Verantwortung steht. Wer so mit Sicherheit und Öffentlichkeit umgeht,
sollte in Deutschland kein Atomkraftwerk betreiben dürfen. Die
Forderung, dem Konzern die Betriebserlaubnis zu entziehen, ist daher
nur zu verständlich. Zumal die Pannenserie in Norddeutschland
keinesfalls ein Einzelfall ist. Im Juli 2006 entging das
Vattenfall-Atomkraftwerk im schwedischen Forsmark offenbar nur knapp
einer Katastrophe.
Für die Atomlobby kommt die mit berechtigtem Zorn geführte
Debatte zur Unzeit. Über Jahre schon kochen die Vertreter der großen
Energiekonzerne im Verbund mit angeblich unabhängigen
Wirtschaftsexperten die Öffentlichkeit weich. Da wird mit der
Abwanderung von tausenden Arbeitsplätzen ins Ausland gedroht, sollte
sich Deutschland von der Atomkraft verabschieden. Da scheuen sich
Politiker, die sich zuvor nie als Umweltschützer hervorgetan haben,
nicht, das CO2-Argument ins Feld zu führen, um der Kernenergie das
Wort zu reden. Da wird - fälschlicherweise - behauptet, die ganze
Welt setze auf Atomkraft, nur Deutschland nicht. Fast schien es in
letzter Zeit, als falle diese Dauer-Propaganda der Atom-Lobby auf
fruchtbaren Boden. Zumal gerade bei der jüngeren Generation das
Grauen von Tschernobyl verblasst ist.
Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es den großen Traum, die gewaltige Kraft des Atoms eines Tages friedlich und problemlos nutzen zu können. Nicht nur Tschernobyl hat diesen Traum zum Albtraum gemacht. Die Lagerung des radioaktiven Materials ist ungelöst, Terroristen und Diktatoren tun alles, um in den Besitz der Atomtechnik zu gelangen. Es ist deshalb höchste Zeit, sich endgültig von der Atomenergie zu verabschieden. Skandale wie der von Vattenfall dürften den Gegnern Ansporn sein, dieses Ziel weiter mit Nachdruck zu verfolgen.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung