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Leipziger Volkszeitung zu Hartz-IV-Reformen

Archivmeldung vom 10.05.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.05.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Peter Hartz rotierte auch einmal kreuz und quer durch den verharzten Arbeitsmarkt. Von Hartz I bis IV hinterließ der größte Job-Illusionskünstler der Nachkriegszeit eine gewaltige Erblast. Ohne ihn und seine von der Politik umgesetzten Eingriffe in Besitzstände und Bürokratien hätte es für Lafontaine und Gysi-Sozialisten wohl nie zum linken Pakt gereicht. Schröder wäre nicht bis zum "Basta" gekommen, die SPD könnte noch immer viele Anhänger haben und FDP und Union hätten womöglich die 50-Prozent-Hürde genommen.

Die große Koalition symbolisiert, politisch gesehen, das vorläufige Ende der Hartz-Republik - indem sie Hartz dauernd nachbessert. Die Verwerfungen, die mit der Hartz-Politik entstanden, sollten den Arbeitsmarkt wie eine Art grober Vertikutierer durchpflügen, um frische Luft für neues Wachstum zu schaffen. Das klang gut, weil fast alle ahnten, ein wenig Revolution ist nötig, um Job-Krise, Wohlstands-Ende und Wachstums-Delle zu bewältigen. Aber es folgte ein Feuerwerk der hohlen Begrifflichkeit - vom Job-Floater bis zum Ein-Euro-Job. Statt mehr Arbeitsplätze gab es Massendemonstrationen und die radikalste Kürzungspolitik durch Rot-Grün.
Dass Schröder seine Kanzlerschaft nicht verlängern durfte, ist zu verschmerzen. Dass Merkel nun sehen muss, ob sie mehr kann als auf den guten Eindruck achten, ist ihr Problem. Dass nichts aus der Prognose wurde, bis Ende des Jahres sei die Arbeitslosigkeit in Deutschland halbiert, kam sowieso nicht ganz unerwartet. Das eigentliche Fiasko der bisherigen Hartz-Bilanz ist:Die emotionalste und scheinbar brutalste deutsche Strukturreform hat Unzählige zu Opfern gemacht, aber nur ganz wenigen wirklich geholfen. Sie ist die teuerste Kürzungspolitik aller Zeiten. Statt den Sozialkassen Milliarden zu sparen, etwa durch die Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe, fallen immer neue Rekordausgaben an. In den modernen, funktionsfähigen Job-Centern der Bundesagentur für Arbeit flutscht der Laden - aber nur an ganz wenigen Stellen ist man schon so weit.
In der Regel funktionieren nicht einmal die sündhaft teuren Computerprogramme. Ganz zu schweigen von Chaos und Furcht vor der Verantwortung überall da, wo Vermittler, Kommunen und Qualifizierer sich praktisch um den Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit kümmern sollten.Manche wollen nicht, viele können nicht und ganz oft ist außer den Ein-Euro-Jobs nichts zu finden. Noch immer ist der Arbeitsmarkt in erster Linie ein undurchdringliches Biotop, in dem massenhaft Arbeitslose feststecken und in dem sehr viel Geld des Bundes durchgeschleust wird. Aber gleichzeitig haben immer mehr das Gefühl, sie seien betroffen und hätten Ansprüche. Es ist, als ob Hartz nicht den neuen Besen besorgte, mit dem die Politik gut kehren könnte, sondern als Zauberlehrling erschien, ohne den Schluss zu bedenken:"In die Ecke, Besen, Besen!"

Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung

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