WAZ: 40 Jahre "Humanae vitae"
Archivmeldung vom 25.07.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAls Papst Paul VI. vor 40 Jahren die Enzyklika "Humanae vitae" veröffentlichte, setzte er einen Prozess in Gang, der bis heute andauert und der für die katholische Kirche durchaus tragisch zu nennen ist. Denn sie schuf eine Kluft im Bewusstsein vieler Katholiken.
Die Enzyklika, die schon bald als "Pillenenzyklika" in die Geschichte einging, beförderte die Trennung zwischen Kirche und Welt, Kirche und Sexualmoral, und sie hat die Glaubwürdigkeit der Kirche stark erschüttert. Und bis heute ist es ihr nicht wirklich gelungen, die eigenen Gläubigen von ihrem Verbot der künstlichen Empfängnisverhütung, von "Pille" und Kondom, ganz zu überzeugen.
Vor allem jedoch stürzte sie damals viele katholische Frauen in
einen ernsten Gewissenskonflikt. Denn die hormonelle Verhütung, seit
1960 auf dem Markt, war zum Symbol der sexuellen Befreiung
schlechthin geworden. Über mögliche medizinische Folgeschäden sprach
damals kaum jemand und die - scheinbar problemlose - Verhütung
ungewollter Schwangerschaften empfanden viele Paare als riesigen
Fortschritt. Als Paul VI. ihnen diesen "Fortschritt" verbot, wollten
das viele Gläubige nicht akzeptieren. Es regte sich ungeahnter
Protest. Eine erste Austrittswelle setzte ein.
Die deutschen Bischöfe wollten mit ihrer "Königsteiner Erklärung"
im August 1968 den Konflikt entschärfen. Ohne dem Schreiben aus Rom
direkt zu widersprechen, erklärten sie Empfängnisverhütung zu einer
Gewissensentscheidung der Eheleute, nicht des Lehramts. Doch die
Kluft zwischen Kirche und Welt vermochten auch sie nicht mehr zu
schließen. Das Thema entwickelte sich zum Dauerkonflikt.
Heute jedoch hat sich die Empörung über das Schreiben von 1968
längst gelegt. Viele Katholiken haben sich arrangiert und leben nach
ihrer eigenen Sexualmoral. Und im Abstand von 40 Jahren wird auch
erkannt, dass "Humanae vitae" außer dem Pillenverbot mehr zu bieten
hatte. So warnte Paul VI. frühzeitig davor, Sex zum reinen
Konsumartikel, zur Ware verkommen zu lassen. Eine Befürchtung, die
sich in weiten Teilen der Welt leider bewahrheitet hat.
Hier zu Lande indes ist eine Generation herangewachsen, die mit
den Widersprüchen, die diese Enzyklika damals hervorrief, ganz anders
umzugehen weiß als noch die Mütter und Väter. Sie kann dem Papst wie
beim Weltjugendtag in Köln ganz locker zujubeln, seine oftmals
strengen Predigten beklatschen und trotzdem Pille oder Kondom
benutzen - ganz so, als ob es nicht einmal ein Widerspruch wäre.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (von Angelika Wölk)