Börsen-Zeitung: Italien rutscht ab
Archivmeldung vom 29.07.2011
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.07.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittItalien hat gestern bei der Anleiheauktion des Landes wahrlich kein gutes Bild abgeliefert. Die Ergebnisse sind geradezu besorgniserregend. Der Benchmark-Emittent der Euro-Peripherie - Italien hat unter den Peripherieanleihen die liquidesten Papiere, und das Land stellt in der Eurozone insgesamt mit rund 1,6 Bill. Euro den größten Bondmarkt - zahlte für die zehnjährigen Anleihen eine Rendite von 5,77% und damit den höchsten Satz seit Februar 2000.
Der Staat verfehlte nur knapp das Renditerekordhoch dieser Laufzeit von 5,81%. Diese Niederlage erlitt Italien nur eine Woche nach dem Euro-Sondergipfel. Wurden vor einer Woche im Urteil der Politiker nicht weitreichende Entscheidungen und Vorkehrungen getroffen, die die Marktteilnehmer beruhigen und klarmachen sollten, dass Befürchtungen über weitere Ansteckungen und Dominoeffekte unbegründet sind? Offensichtlich nicht im Urteil der Märkte.
Seit Ende 2009 verfolgen die Marktakteure nun mit Argusaugen jede Auktion von Anleihen und Geldmarktpapieren seitens der schwächeren Euro-Staaten. Dabei sind immer zwei Fragen relevant. Erstens: Bekommt der Staat das vorab angekündigte Kapitalvolumen zusammen oder muss er zurückrudern? Zweitens: Zu welchen Zinsen (Renditen) überlassen die Investoren dem Staat überhaupt noch Geld? Italien hat mit rund 8 Mrd. Euro fast den in Aussicht gestellten Maximalbetrag von 8,5 Mrd. Euro zusammenbekommen. Aber eben nur zu mehr als stattlichen Konditionen. Diese sind auf lange Sicht als untragbar einzustufen.
Doch das Ergebnis ist noch etwas genauer zu analysieren. Zahlreiche Staaten der Eurozone arbeiten bei Anleiheauktionen mit sogenannten defensiven Geboten der teilnehmenden Banken. Dies wird auch dem "Club Med" nachgesagt. Banken legen dabei Gebote zu marktfernen Preisen in die Auktion, Preise also, die der Staat nicht akzeptieren kann, da sie schlichtweg zu hoch sind. Diese Gebote schönen allerdings die Nachfragesituation für diese Anleihen.
Das Auktionsergebnis war ohnehin schon dürftig. Wenn die italienischen Schuldenmanager die Banken noch an der kurzen Leine geführt und defensive Gebote das Ergebnis geschönt haben, dürfte auch dem letzten Beobachter klar werden, wie schlecht das Auktionsergebnis tatsächlich gewesen ist - also die defensiven Gebote gedanklich abgezogen. Es zeigt dann auch, wie es nur wenige Tage nach dem "weitreichenden" Gipfel tatsächlich um das Investorensentiment mit Blick auf Italien bestellt ist: Das Land wird nach Einschätzung der Akteure immer weiter abrutschen.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots)