Lausitzer Rundschau: Bilanz nach den Korrekturen an Hartz IV
Archivmeldung vom 26.07.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittHartz IV ist ein Versuch am lebenden Objekt. Der Versuch hat viel gekostet, politisch - unter anderem Gerhard Schröder die Kanzlerschaft - und finanziell. Die Haushaltsansätze für das Arbeitslosengeld II wurden anfangs drastisch überzogen. Die Wirkung dagegen blieb aus.
Erst jetzt gibt es erste Anzeichen, dass die
starke Belebung am Arbeitsmarkt zaghaft auch die Langzeitarbeitslosen
erreicht. Ein Durchbruch ist jedoch weiterhin nicht in Sicht.
Die Grundidee der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe
bleibt dem alten Zustand trotzdem meilenweit überlegen. Vorher gab es
weder für die Empfänger von Arbeitslosenhilfe noch gar für die
arbeitsfähigen Sozialhilfebezieher irgendwelche Anreize. Sie wurden
mit Geld ruhig gehalten.
Das neue Prinzip von Fordern und Fördern wurde aber unzureichend
umgesetzt. So wurde unterschätzt, wie viele Bürger es legitim finden,
den Staat auszubeuten. Jugendliche wurden geradezu animiert, einen
eigenen Hausstand zu gründen, Lebenspartner dazu, sich scheinbar zu
trennen, um zwei Bedarfsgemeinschaften bilden zu können. Da hat die
Politik bis zum Korrekturgesetz viel Lehrgeld bezahlt. Nun setzt sich
das fort mit der Flucht aus dem Wohngeld, weil Betroffene bei Hartz
IV die ganze Miete erstattet bekommen. Viele Arbeitgeber nutzen die
Reform bis heute ebenso schamlos aus, indem sie Niedriglöhne zahlen,
die die Gemeinschaft dann aufstocken darf. So wird der Sozialstaat
munter geplündert.
Was aber vor allem bis heute schlecht funktioniert, ist die
versprochene Aktivierung der Langzeitarbeitslosen. Die Hilfe für die
wirklich Hilfebedürftigen. 75 Fälle pro Betreuer bei unter
25-Jährigen war das Ziel. Es ist klammheimlich beerdigt worden. Mit
den Arbeitsgemeinschaften, gebildet aus der Bundesagentur für Arbeit
und den Kommunen, wurde die kompliziertestmögliche Konstruktion
gewählt. Die ersten Jahre brauchten diese Argen um sich zu
organisieren, und noch immer klappt die Zusammenarbeit vielerorts
nicht. Das einzige, was diese Struktur geschaffen hat, sind
Arbeitsplätze - in der Verwaltung.
Statt den Gemeinden das Geld und die Verantwortung zu geben, oder
statt aus der einen zentralen Bundesagentur eine Vielfalt von Trägern
zu machen, die sich in Konkurrenz um die Langzeitarbeitslosen
kümmern, wurden die bestehenden schwerfälligen Strukturen zwangsweise
miteinander verheiratet. Das war ein fauler politischer Kompromiss
von Union und SPD. Es war das erste Werk einer damals noch
informellen Großen Koalition. Sie allein trägt die Verantwortung für
den weiteren Verlauf dieses Experiments.
Quelle: Pressemitteilung Lausitzer Rundschau