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Börsen-Zeitung: Revival der Industriepolitik

Archivmeldung vom 18.01.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.01.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Siemens befindet sich mit Alstom auf Konfrontationskurs zu den europäischen Wettbewerbshütern. Denn die Kartellbehörden signalisieren auf allen Kanälen, dass die Zugeständnisse der Bahntechnikhersteller nicht ausreichen für die Genehmigung eines Zusammenschlusses. Das Zug-Duo verweigert aber die Abgabe weiterer Konzernteile. Wenn keiner der Kontrahenten eine Kehrtwende hinlegt, erleidet das Fusionsprojekt einen Totalschaden.

Ob Siemens und Alstom nun gemeinsam Hochgeschwindigkeitszüge bauen oder eben nicht, wird den Lauf der Welt nicht verändern. Die Diskussion über das Projekt aber sehr wohl. Denn der Fall weist über die ökonomische Sphäre hinaus in den gesellschaftlichen Raum. Dort zeigen die Stellungnahmen der Politiker, dass ein Paradigmenwechsel bevorsteht. Künftige Ökonomie-Lehrbücher werden das Fusionsprojekt daher als Wendepunkt in der europäischen Industriepolitik kennzeichnen.

Die Ausgangslage ist klar: Das Kartellrecht verbietet eine Genehmigung, weil das Duo auf einzelnen Märkten eine beherrschende Position erobert. Die Forderung der Wettbewerbshüter, große Unternehmensteile zu verkaufen, ist eine logische Folge. In den vergangenen Jahrzehnten deckten die Regierungen in der Regel implizit derartige Positionen, indem sie sich heraushielten. Nun aber zieht die Politik in Berlin und Paris nicht mehr mit, der Protest gegen eine Ablehnung der Fusion ist überall zu vernehmen.

Was hat sich geändert?

Erstens: die Lage in der Welt. In China ist eine Konkurrenz erwachsen, die planmäßig die globalen Märkte aufrollt - und zwar mit strategischer Unterstützung der Regierung und zur Not sogar mit ihrem Kapital. Auch in der Bahntechnik kommt der weltweit größte Hersteller der Welt aus China. Wer glaubt, er werde sich nicht mit Dumpingpreisen in die Weltmärkte hineinkämpfen, ist blauäugig. Denn er ignoriert die Vorgaben der Kommunistischen Partei.

Zweitens: die Lage an den Wahlurnen. Die Ängste in Europa wachsen, daher wählen die Menschen populistische Parteien. Eine Quelle der Unsicherheit ist die Globalisierung. Regierungen, die sich an der Macht behaupten wollen, müssen ihre Bürger schützen - vor US-Datenkraken, dem Ausverkauf der Technologie oder eben vor dem Bedeutungsverlust der Industrie wie im Fall der Bahntechnik.

Dies bedeutet: Die Industriepolitik steht vor einem Revival. Sie wird auch das Kartellrecht neu fassen. Doch dies alles wirkt erst in der Zukunft. Der Fehler von Siemens und Alstom war, schon heute auf die Karte Industriepolitik zu setzen.

Quelle: Börsenzeitung (ots)  von Michael Flämig

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