Berliner Morgenpost: Im Namen der Freiheit Unsinn verzapfen
Archivmeldung vom 24.11.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittBlicken wir kurz noch einmal zurück ins Jahr 1998, als Rot-Grün gerade eine Wahl gewonnen hatte und dann unter dem legendären Motto "Regieren macht Spaß" einen Fehler nach dem anderen beging. Die Quittung für diesen Stolperstart wurde später den SPD-Landesverbänden ausgehändigt. Sie verloren ihre Wahlen, einer nach dem anderen.
Es mag nicht ganz so schlimm sein wie damals. Einem der beiden Regierungspartner fehlt ein wenig der Elan, den erst ein längerer Verbleib auf den Oppositionsbänken auslöst. Die Union hat ja längst wieder gelernt, dass Regieren eben nicht nur für große Freude sorgt, sondern vor allem harte Knochenarbeit ist, bei der man zu allem Überfluss auch noch ziemlich genau auf die Details achten muss. Aber gerade deshalb, das lässt sich nach ein paar Wochen schwarz-gelber Regierungszusammenarbeit bilanzieren, ist der Koalitionsvertrag nicht gerade ein Meisterwerk. Er lässt zu vieles offen, im Vagen, Unpräzisen. Die Steuerreform, die Gesundheitsreform, das Betreuungsgeld, die Laufzeiten der Atomkraftwerke, all das wabert seit Wochen vor sich hin, ohne Richtung, ohne Ziel, einfach so. Buchstäblich jeder, der ein schwarz-gelbes Amt ergattert hat, äußert sich zu diesem, zu jenem - der eine so, der andere so. Führung? Richtung? Ziele? Wenn's dann doch mal konkret wird bei Schwarz-Gelb, reibt man sich die Augen. Neben Hundefutter und Schnittblumen sollen künftig auch Hotelübernachtungen steuerlich begünstigt werden. Heiliger Kirchhof, das verstehe, wer will! Gab es nicht mal eine CDU-Vorsitzende, die Steuerprivilegien abbauen wollte, statt neue zu erfinden? Ein Betreuungsgeld zum Beispiel. Was, bitte sehr, soll man von einer Debatte halten, die sich darum dreht, in welcher Form im Jahr 2013 (Zweitausenddreizehn!) dieser bayerische Hausfrauenbonus ausgezahlt werden soll? Und in der ausgerechnet eine liberale Partei dafür plädiert, ein planwirtschaftlich anmutendes Auszahlungsverfahren anzuwenden und die Freiheit der potenziellen Empfänger quasi auf null zu setzen? Bildungsgutscheine für Null- bis Dreijährige, darauf muss man erst mal kommen. Darf man die FDP und auch Teile der Union freundlich daran erinnern, dass sie mal für etwas weniger Staat, für weniger Gängelung, für mehr Eigenverantwortung eingetreten sind? Unabhängig von derartigem Zusatzirrsinn, muss man sich ganz grundsätzlich fragen, warum die Koalitionäre ausgerechnet über diesen abseitigen Schauplatz toben, Kanzlerinnen-Machtwort inklusive. Eine Prämie dafür auszuloben, dass der Bürger ein staatliches Angebot - in diesem Fall einen Krippenplatz - nicht nutzt, ist mehr als fragwürdig. Wie wär's mit Nichtnutzungsprämien für Universitäten, Straßen, Sportplätze? Oder einem Bonus für ganz besonders brave Staatsbürger, die niemals an Ereignissen teilhaben, die kostspielige Polizeieinsätze erfordern? Der Nichtbesuch eines Fußballstadions zum Beispiel könnte so zum privaten Kassenknüller werden. Eine wunderbare Pandora-Büchse, die sich da langsam öffnet. Passt gut in diesen Zeiten, in denen es auf Geld ja offensichtlich nicht mehr so ankommt.
Quelle: Berliner Morgenpost