Lausitzer Rundschau: Deutschland und die neue Pisa-Studie: Der Bildungsjammer
Archivmeldung vom 05.12.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIn Deutschland hat noch jede Pisa-Studie eine Menge Staub aufgewirbelt. Seit der ersten Erhebung vor sieben Jahren ist der Begriff vom Pisa-Schock einerseits zum festen Bestandteil unseres Sprachschatzes geworden. Andererseits bot sich durch Pisa auch eine gute Gelegenheit zum radikalen bildungspolitischen Umsteuern. Zwei weitere Pisa-Studien später muss jedoch an der heilsamen Wirkung des Schocks gezweifelt werden.
Sind die Ergebnisse doch längst zum Spielball politischer Interessen geworden. Im aktuellen Fall war das besonders unappetitlich. Experten, die das gegliederte Schulsystem in Deutschland schon immer für absurd hielten, fanden sich in den häppchenweisen Vorabveröffentlichungen genauso bestätigt wie notorische Gesundbeter unserer Bildungslandschaft. Und um die Verwirrung zu komplettieren, wurde obendrein publik, dass Schüler in anderen Staaten mit Geldgeschenken zur Lösung der Aufgaben angespornt wurden, während ihre Altersgenossen hierzulande lediglich einen Pisa-Stift bekamen. Nun lässt sich mit ein paar Dollars sicher keine Klugheit kaufen. Sonst hätte Deutschland sein Bildungsproblem garantiert schon gelöst. Trotzdem bleibt der Wert der Pisa-Ergebnisse stark begrenzt. Substanzielle Neuigkeiten sucht man jedenfalls vergebens. Seit Jahren wissen wir, dass der Bildungserfolg in Deutschland weniger von der Intelligenz des Kindes, wohl aber von seiner sozialen Herkunft abhängt. Obgleich hier die Schranken etwas durchlässiger geworden sind, haben Akademikerkinder immer noch fast dreimal so große Chancen auf den Abschluss des Abiturs wie Kinder aus Arbeiterfamilien. Seit Jahren ist bekannt, dass die verschiedenen Schultypen riesige Leistungsunterschiede produzieren. Seit Jahren wird auch das Schicksal der Kinder aus Zuwandererfamilien thematisiert, für die das Gymnasium schon deshalb ein Fremdwort bleiben muss, weil ihre Deutschkenntnisse jämmerlich sind. Die Gegenmittel sind ebenfalls bekannt: Gefragt ist eine gezielte Förderung - und zwar von Kleinkindesbeinen an. Dazu gehören flächendeckende Sprachtests weit vor der Einschulung, aber auch eine entsprechende Qualifizierung der Pädagogen. Niemand wird bestreiten, dass sich bei der frühkindlichen Bildung und Erziehung etwas bewegt im Land. Davon zeugt zum Beispiel der geplante Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz. Allerdings mahlen die Mühlen immer noch sehr langsam. Auch um diesen Befund wissen wir nicht erst seit der aktuellen Pisa-Studie. Es mag provokant klingen, wenn einige Politiker den Ausstieg aus dem internationalen Bildungstest fordern. Aber vielleicht wäre das dafür aufgewendete Geld tatsächlich besser in (vor)schulischen Investitionen angelegt. Zumal es nicht an Bildungsstudien mangelt.
Quelle: Lausitzer Rundschau