Trump und der Ölmarkt
Archivmeldung vom 04.04.2020
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Freigeschaltet durch André OttDonald Trump hat wieder einmal die Welt gerettet - so jedenfalls verkauft er es auf Twitter. Der US-Präsident stellt eine Kürzung der Ölproduktion durch Saudi-Arabien, Russland und vielleicht auch die USA selbst um 10 Mill. Barrel pro Tag (bpd) in Aussicht.
Auf seine Initiative hin soll es am Montag eine Videokonferenz des um Russland und andere Länder erweiterten Kartells "Opec plus" geben, auf der, wenn es nach dem Wunsch Trumps läuft, die in der Konferenz vertretenen Länder die von ihm avisierte Kürzung um insgesamt 10 Mill. oder um sogar bis zu 15 Mill. bpd beschließen. In Vorfreude auf dieses Ereignis ist der Ölpreis nach der Ankündigung Trumps um bis zu 40 Prozent nach oben gesprungen, wobei dann aber sofort wieder Gewinnmitnahmen einsetzten.
Hinsichtlich der (PR-)Aktion des Präsidenten gibt es viele offene Fragen. So ist beispielsweise längst nicht klar, wie hoch der Rückgang des globalen Ölverbrauchs überhaupt ausfallen wird. Zunächst war man überall von 10 Mill. bpd ausgegangen. Dann warf die Energieagentur 15 Mill. bpd ins Rennen. Danach schockte Goldman Sachs die Marktteilnehmer mit einer Prognose von 26 Mill. bpd. Aber selbst dieses düstere Bild spiegelt die Realität möglicherweise noch nicht vollständig wider. Einige Händler gehen inzwischen sogar von 35 Mill. bpd aus. Dies wäre ungeheuerlich, denn ein Einbruch um rund ein Drittel entspricht in etwa dem, was man bei Ausbruch eines echten militärisch ausgetragenen Weltkriegs erwarten würde. Dagegen würde eine Reduzierung des Angebots um in der Geschichte der Opec (wenn man von der Ölkrise von 1973 absieht) einmalige 10 Mill. bpd verblassen - abgesehen davon, dass sich eine solche Vereinbarung kaum wirkungsvoll überwachen und durchsetzen lässt und teilweise auch schwierig umzusetzen ist.
Noch aber ist nicht einmal klar, wer überhaupt an der Konferenz teilnimmt. Sind auch die USA wirklich bereit zu eigenen Kürzungen? Nehmen US-Vertreter überhaupt an der Konferenz teil? Das wäre jedenfalls ein Novum, denn bisher haben sich die USA unter Verweis auf die segensreiche Wirkung eines ungestörten Marktgeschehens jeglicher politischen Initiative zur Stützung des Ölmarktes versagt - mit der für die US-Produzenten angenehmen Wirkung, dass sie die Vorteile einer Marktregulierung spüren, ohne selbst irgendwelche Lasten tragen zu müssen. Und wer sollte von US-Seite überhaupt teilnehmen? Kann sich ein amerikanischer Energieminister gegenüber einer privatwirtschaftlich organisierten und mächtigen Ölbranche überhaupt durchsetzen? Reuters meldete jedenfalls, der Präsident plane nicht, die US-Produzenten um Kürzungen zu bitten.
Klar ist jedenfalls, dass es keine Kürzungen durch Saudi-Arabien und Russland geben wird, wenn die US-Produzenten sich nicht beteiligen. Dies haben die Regierungen beider Staaten bereits deutlich gemacht. Die beiden Länder, vor allem Saudi-Arabien, haben in den vergangenen Jahren erhebliche Opfer gebracht, was die amerikanische Schieferölindustrie für eine beispiellose kreditfinanzierte Expansion genutzt hat. So ist es wenig verwunderlich, dass sich in den Köpfen der russischen und wohl auch der saudischen Führung die Idee festgesetzt hat, dass die Welt aus ihrer Sicht eine bessere wäre, wenn man sich der amerikanischen Schieferölbranche entledigen könnte. Für Russland und Saudi-Arabien ist ein solcher Erfolg mittlerweile in greifbare Nähe gerückt, so dass US-Präsident Trump schon viel bieten muss, um die Russen und die Saudis davon abzubringen. Die Androhung neuer Sanktionen als vorherrschendes Instrument amerikanischer Außenpolitik wird da nicht reichen.
Es gibt aber noch einen weiteren Aspekt, der eine Analyse wert ist. Ist es angesichts der in vielen Ländern durch die Pandemie-Gegenmaßnahmen ausgelösten schweren Rezession überhaupt volkswirtschaftlich sinnvoll, die Energiepreise steigen zu lassen? Wäre es nicht verantwortungsvoller, mit einer Stützung des Ölpreises zu warten, bis das Schlimmste überstanden ist? Aktuell wurde das Narrativ, dass die Welt jetzt unbedingt einen höheren Ölpreis benötigt, vor allem von US-Präsident Trump aufgebracht, zu dessen wichtigsten Wahlkampffinanziers die US-Ölindustrie gehört. Zwar ist es richtig, dass es in der Ölindustrie viele Arbeitsplätze gibt. Auf der anderen Seite könnte aber ein steigender Ölpreis weitere und vielleicht mehr Arbeitsplätze in anderen Sektoren gefährden. Somit könnte es verfrüht sein, auf einen sich deutlich und vor allem nachhaltig erholenden Ölpreis zu setzen. Auf dem Ölmarkt stehen die Zeichen weiterhin auf Sturm.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Dieter Kuckelkorn