Leipziger Volkszeitung zu McCain/Palin
Archivmeldung vom 05.09.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDen Wirbelsturm Gustav hat der nun offizielle Präsidentschaftsbewerber der Republikaner, John McCain, gut überstanden. Ob das auch für den Wirbelsturm zutrifft, den seine Vize Sarah Palin auslöst, wird sich noch herausstellen.
Dem Hurrikan Gustav hat der Senator von Arizona sogar etwas ganz Wesentliches zu verdanken: Dass US-Präsident Bush nur von fern zu den Parteitagsdelegierten sprach und nicht schulterklopfend neben ihm auftauchte. Denn die Mehrheit der US-Amerikaner leidet an einer schweren Bush-Verdrossenheit. Daher muss McCain klarstellen, dass er zwar auch die republikanischen Werte vertritt, aber nicht für eine bloße Fortsetzung des alten Kurses steht. Wenn die Wähler eines wollen, dann ist es frischer Wind im Weißen Haus. Gut durchgelüftet hat erst einmal die 44-jährige Gouverneurin von Alaska den etwas angestaubten Parteikonvent der Republikaner. Mit ihrer patriotischen und angriffslustigen Rede hat sie Schwung in die Partei gebracht. Und sie zieht auch eine ganz klare Trennlinie zwischen ihren Positionen und denen der Demokraten, ob bei der Abtreibung oder beim Waffenbesitz. Ob aber McCains Rechnung aufgeht, der die fünffache Mutter als Überraschungskandidatin präsentierte, um sowohl konservative Wähler als auch enttäuschte Hillary-Clinton-Anhänger auf seine Seite zu ziehen, bleibt fraglich. Dabei ist Palin die fehlende außenpolitische Erfahrung noch am wenigsten anzulasten. Die hatte auch ein Bill Clinton nicht, und das ist auch der schwache Punkt bei Barack Obama. Es ist auch wahrlich kein Drama, wenn die 17-jährige Tochter einer intakten und gut gestellten Großfamilie schwanger wird. Schlagzeilenreife erlangt das Ereignis nur deshalb, weil die plötzlich berühmt gewordene sittenstrenge Mutter Sex vor der Ehe ebenso ablehnt wie Aufklärung in der Schule. Aber wie heißt es so schön: Willkommen im Leben, das so manches ad acta legt. Erklärungsbedürftiger sind da schon solche Äußerungen wie die, dass der Irakkrieg ein Plan Gottes sei. Das haben die meisten doch anders in Erinnerung. Vieles wird davon abhängen, wie Sarah Palin sich künftig ohne ausgefeiltes Redemanuskript schlägt. McCain muss aufpassen, dass der Wirbel um Palin ihn nicht ins Wanken bringt. An ihm ist es nun, den genauen Kurs zu bestimmen, den Wählern seine Inhalte zu erklären, was genau er vorhat in der Steuer-, Wirtschafts- und Gesundheitspolitik. Obama hat in der vergangenen Woche in Denver seine Linie aufgezeigt. Eines zeichnet sich nach den Parteikonventen ab: eine zunehmende Polarisierung.
Quelle: Leipziger Volkszeitung