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Mittelbayerische Zeitung: Auf dem Weg aus dem Abseits

Archivmeldung vom 12.06.2018

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 12.06.2018 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Fußball ist ein komplizierter Sport. Da gibt es nicht nur Schwarz oder Weiß. In einem Spiel gibt es viele Entscheidungen in der Grauzone - vor allem beim Foulspiel und beim Handspiel. Dort kann der Videobeweis nicht immer gerecht entscheiden. Trotzdem war seine Einführung in der Bundesliga die richtige Entscheidung - auch, wenn im ersten Jahr noch nicht alles nach Plan lief. Was wurde vor einem Jahr geschimpft und gemeckert!

Der Videoassistent werde den Bundesliga-Fußball endgültig zerstören, hieß es, an den Fußball-Stammtischen in Deutschland wird Totenstille herrschen. Passiert ist außer ein paar Problemchen letztlich nichts und geredet wird über die Schiedsrichter sogar noch mehr als vorher. Die Bundesliga hat die Einführung des Videoschiris ohne Imageschaden überstanden. Im Gegenteil: Für einige Topligen in Italien, den USA, Spanien und Frankreich dient Deutschland als Vorbild für die Einführung. Das größte Problem des Deutschen Fußball-Bundes war die Erwartungshaltung. Die Fans erwarteten eine 100 Prozent-Quote. Dass man die nicht halten kann, hätte klar sein müssen. Der Videoassistent wurde so ab dem ersten Fehler und später mit der Absetzung des Projektleiters Hellmut Krug ins Abseits bugsiert und hat Mühe, zurück ins Spiel zu finden. Im Fußball gibt es klare Regeln - 17 an der Zahl. Die meisten sind nicht diskutierbar: Auf dem Feld stehen pro Team zehn Feldspieler und ein Torwart, der Ball ist kugelförmig und wiegt höchstens 450 Gramm, die Eckfahne ist mindestens 1,50 Meter groß. Bei Regel zwölf "Fouls und unsportliches Betragen" wird es schon schwieriger.

Dort gibt es Interpretationsspielraum, zum Beispiel, wann ein Handspiel absichtlich oder ein Körperkontakt strafbar ist. Hinter dem Monitor in Köln sitzt keine Maschine, sondern ein Mensch mit subjektiver Wahrnehmung. Dass Video-Assistent und Hauptschiedsrichter nicht immer einer Meinung sind, ist bei Entscheidungen im Graubereich unvermeidbar. Hier muss der Videoschiri seine Grenzen kennen. Mit den beiden Assistenten und dem vierten Offiziellen gibt es im Extremfall fünf verschiedene Sichtweisen auf eine Szene. Da hat der Videoschiedsrichter dann nichts zu melden. Solche Situationen sollte immer noch der Mann mit der Pfeife auf dem Feld entscheiden. Der Videobeweis wurde eingeführt, um klare Fehlentscheidungen zu korrigieren, nicht, um Detektiv zu spielen. Was passiert, wenn er das doch tut, war beim Elfmeter in der Halbzeitpause Mainz gegen Freiburg im April zu sehen. Beide Mannschaften sind auf dem Weg in die Kabine, als Schiedsrichter Winkmann zur Überraschung aller auf Handelfmeter entscheidet. Für Schlagzeilen sorgten auch die kalibrierten Abseitslinien, die auf den Bildschirmen in Köln bis zum letzten Spieltag nicht verfügbar waren.

Abseitsentscheidungen wurden vom Videoassistenten mit bloßem Auge überprüft - bei Millimeter-Entscheidungen unmöglich. Wohl ein technisches Problem, das man dennoch hätte vorhersehen oder zumindest innerhalb der ersten Saison beheben müssen. Eine schwache Leistung, wenn man bedenkt, dass Sky, Sport 1 und Co. dem Zuschauer schon seit Jahren derartige Linien zuverlässig anbieten. Aber bei allen Problemchen: Eine einzige Fehlentscheidung, die der Videoschiri zurechtrücken kann, rechtfertigt seinen Einsatz. In der vergangenen Saison korrigierte er laut DFB sogar 64 Mal einen Fehler. Nicht wenige davon waren spielentscheidend. Das Zusammenspiel wird sich weiter verbessern und die Erfolgsquote weiter steigen. Doch 100 Prozent wird der Videobeweis nie erreichen. Irgendwie auch beruhigend, wenn am Ende doch wieder ein Mensch entscheidet, und der macht eben Fehler. Totenstille an den Stammtischen müssen wir nicht befürchten.

Quelle: Mittelbayerische Zeitung (ots)

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