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Allg. Zeitung Mainz: Kreide und Spargel

Archivmeldung vom 12.06.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 12.06.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

st es Einsicht, Altersmilde vielleicht? Oder will sich US-Präsident George W. Bush auf seinem letzten offiziellen Trip durch Europa nur noch einen möglichst guten Abgang verschaffen, um der Nachwelt besser in Erinnerung zu haften, als sich das bis jetzt abzeichnet?

Wie schon zuvor in Slowenien hatte der mächtigste Mann der Welt auch bei seinem Besuch im Brandenburger Gästehaus der Bundesregierung offenkundig Kreide gefressen. Jedenfalls bewertete er die wichtigen Themen des Tages von Iran bis Klimaschutz mit einem Maß diplomatischer Sanftmut, die man so bislang an ihm nicht kannte. So hatte auch Gastgeberin Merkel keine Not, ihrem sonst eher als Raubautz bekannten Besucher auf dessen Kurs gegenüber dem Iran und dessen Atompolitik zu folgen: Mehr diplomatischer Druck, verschärfte Sanktionen - und sonst nichts. Dass Bush einen Verzicht auf jegliche militärische Optionen erklären würde, hatte ohnehin keiner erwartet. Das gilt allerdings auch für die Ankündigung des US-Präsidenten, noch vor Ende seiner Amtszeit ein weltumspannendes Klimaschutzabkommen auf den Weg zu bringen, - wenn Indien und China mitziehen. Dieses Wenn ist und bleibt jedoch der entscheidende Punkt; denn beide bevölkerungsreichen Länder leben und wirtschaften unter total anderen Voraussetzungen als die USA und alle übrigen etablierten Industriestaaten. Immerhin hat Bush mit seiner Festlegung ein Signal zur konstruktiven Teilnahme der USA an den weiteren Klimarunden gegeben. Ob das seinen Notendurchschnitt als US-Präsident noch beeinflussen kann, ist trotzdem zweifelhaft. Immerhin hat er Merkels Spargel, den er freiwillig nie schlucken würde, ohne Murren gegessen, sagt er. Das hätte sein Vorgänger Clinton mit dem von ihm gehassten Brokkoli nicht getan. Jeder US-Präsident hat so seine Eigenheiten. Wie die von Bush zu werten sind, wird man wissen, wenn sein Nachfolger kommt.

Quelle: Allgemeine Zeitung Mainz

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