Frankfurter Neue Presse: zur Übernahme von Woolworth "Schlechter als wie man denkt"
Archivmeldung vom 08.05.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt"Besser als wie man denkt", flötet Werbe-Ikone Verona Pooth allabendlich in die Kamera, nachdem sie wieder einmal die "bezahlbare Mode" des Textil-Discounters Kik geprüft hat. Scheinbar "besser als wie man" gedacht hat, findet Kik-Holding HH plötzlich auch die insolvente Warenhauskette Woolworth.
Musste Insolvenzverwalter Ottmar Hermann das erste HH-Angebot für Woolworth noch als völlig inakzeptabel ablehnen, scheinen mit dem Zuschlag, den HH nun bekommen hat, alle Beteiligten glücklich sein zu können: HH kann mit der Übernahme seine avisierte Discounter-Expansion verwirklichen; Cerberus hat für die Woolworth-Häuser einen solventen Mieter. Und bei Woolworth herrscht große Erleichterung: Die Zerschlagung ist vom Tisch, die Zukunft aller 4500 Mitarbeiter scheint gesichert.
Dass diese Erleichterung lange anhält, steht zu bezweifeln. Schon bald dürfte der Kik-Werbeslogan wie Hohn in den Ohren der Woolworth-Mitarbeiter klingen und sich die Erkenntnis durchzusetzen: Dieser Deal ist in Wirklichkeit "schlechter als wie man denkt". Denn es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Muttergesellschaft von Kik und dessen Ein-Euro-Ramschladen-Ableger Tedi tatsächlich das Woolworth-Konzept und die 4500 Beschäftigten langfristig halten wird.
Hauptvermieter Cerberus hat nicht von ungefähr alle potenziellen Investoren, die zuvor genau dies versprachen, abgelehnt und Woolworth damit in die Enge getrieben. Dahinter steckte offenbar der Plan, Woolworth pleite gehen zu lassen, damit Cerberus die Kaufhäuser dann besenrein und zu höheren Mieten an HH vergeben kann. Die hatte deutlich signalisiert, dass sie nur an den Standorten interessiert ist, nicht an der Marke Woolworth und deren Mitarbeitern. Schließlich sollen die sehr erfolgreichen und stark expandierenden Kik und Tedi zügig weitere Häuser eröffnen, werden die Woolworth-Beschäftigten viel besser entlohnt als ihre Kollegen bei den beiden sogenannten Hard-Discountern. Dass HH stattdessen in letzter Minute von Cerberus in die Poker-Runde um Woolworth eingebracht wurde, ist schlicht Image-Gründen geschuldet: Cerberus wollte nicht wieder als die böse Heuschrecke dastehen, HH nicht als Aasgeier.
So ist absehbar, dass Woolworth-Häuser bald zu Kik oder gar Tedi-Filialen mutieren werden und nach der einjährigen Schonfrist Mitarbeiter werden gehen und /oder zu sehr viel schlechteren Bedingungen arbeiten müssen. Um bei den Niedrigpreisen der beiden Hard-Discounter noch gutes Geld verdienen zu können, dürfen schließlich nicht nur die Arbeitskräfte der Kik-Zulieferer in den Entwicklungsländern, sondern auch die hiesigen Beschäftigten nur sehr sparsam entlohnt werden. Anders könnte HH auch die von Cerberus geforderten Mieten nicht zahlen können. Beide agieren abgezockter "als wie man denkt".
Quelle: Frankfurter Neue Presse