Mittelbayerischen Zeitung Regensburg zur Steuerdiskussion
Archivmeldung vom 03.08.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Merkel, Rösler und Seehofer wollten Christkind und Weihnachtsmann zugleich spielen. Noch vor der Sommerpause verkündeten die Spitzen der Koalitionsparteien, dass im Herbst, gleich nach der Steuerschätzung, dem Volk mitgeteilt werde, wo genau und wie viel Steuern für untere und mittlere Einkommen gesenkt werden sollen. Mit anderen Worten, die Schwarz-Gelben haben das Päckchen schon eingewickelt. Hineinschauen aber darf der Bürger noch nicht. Das ist nicht nur eine seltsame Form von herrschaftlicher Ankündigungs-Politik - und somit demokratischen Spielregeln zuwiderlaufend, vor allem Transparenz - , sondern auch taktisch ein Schuss in den Ofen.
Wenn die Drei von der schwarz-gelben Zankstelle meinten, mit einer hohlen Ankündigung das Thema Steuersenkungen von der politischen Sommerbühne nehmen zu können, haben sie sich gründlich getäuscht. Genau dort wird es zurzeit aufgeführt. Mal als Komödie, mal als Drama. Mal alles in einem. Soll man nun lachen oder weinen, wenn Merkel der siechenden FDP erlaubt, ihr einstiges Lieblings-Thema im neuen Gewande zu präsentieren? Die politische Absicht hinter dem Steuersenkungs-Deal ist so vordergründig, dass sie jedem ins Auge springen muss. Man reibt sich höchstens verwundert die Augen, dass die Schwarz-Gelben dieses Motiv nicht einmal zu verschleiern suchen. Diese Koalition muss bis 2013 zusammenhalten, komme, was da wolle. Interessanterweise kreuzen sich die Interessen der drei Parteien bis zum Jahr der Bundestagswahl: Merkel hofft, dass die CDU bis dahin wieder Luft unter die Flügel bekommt und dass der grün-rote Höhenflug beendet ist. Die Rösler-Liberalen indes zünden jeden Tag eine Kerze an, dass sie als politische Kraft erhalten bleiben mögen. Und die Seehofer-CSU will sich notfalls auch auf Kosten der Berliner Koalition für die nächste Landtagswahl im Freistaat - vielleicht sogar mit der Bundestagswahl zusammen - fit machen. Etwas mehr Steuergerechtigkeit für die kleinen Leute wird der CSU-Chef dabei gewiss an die weiß-blauen Fahnen heften. Abseits dieser politischen Sandkastenspiele bestimmen vor allem zwei Fakten die steuerpolitische Situation: Erstens steht der deutsche Staat mit rund zwei Billionen Euro in der Kreide. Täglich müsen Bund, Länder und Kommunen fast 100 Millionen Euro für den Schuldendienst hinblättern. Angesichts dieses Schuldendesasters verbieten sich Steuersenkungen eigentlich von selbst. Doch die Betonung liegt auf "eigentlich". Denn zweitens ist es unbestreitbar, dass der derzeitige Aufschwung an den unteren Einkommen nahezu spurlos vorbei geht. Etwas mehr Brutto wird noch dazu von der kalten Steuerprogression aufgefressen. Allerdings müssen dringend angezeigte Entlastungen auch gegenfinanziert werden. Steuersenkungen auf Pump verbieten sich. Nicht nur wegen der bald greifenden Schuldenbremse, sondern auch aus Gründen der Generationengerechtigkeit. Wohin es führt, wenn ungeniert öffentliche Schulden aufgetürmt werden, zeigen leidvoll gerade die USA. Auf der anderen Seite dürfen kleine Steuerentlastungen in Deutschland nicht dadurch konterkariert werden, dass etwa Sozialbeiträge, Kita-Gebühren oder Eintrittspreise in öffentliche Einrichtungen steigen. Und dass sich eine Steuerreform quasi von allein finanziert, glaubt wohl nur FDP-Wunder-Heiler Philipp Rösler. Statt neue Beiträge fürs Sommertheater zu liefern, sollten die Berliner Koalitionäre endlich Nägel mit Köpfen machen, den Haushalt konsolidieren und an einigen Stellen entlasten.
Quelle: Mittelbayerische Zeitung (ots)