Leipziger Volkszeitung zur Documenta Kassel
Archivmeldung vom 14.06.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 14.06.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIm Zusammenhang mit dem Erfolg, den Malerei im Allgemeinen, gegenständliche im Besonderen, solche aus Leipzig im Speziellen verzeichnen, sind in unserer Wahrnehmung zwei Begriffe nahe zusammengerückt: Kunst und Markt. Sie gehören wohl auch zueinander, wie seit gestern die Art Basel zeigt.
55000 Besucher
werden erwartet, mancher davon wird Bilder mitnehmen und viel Geld da
lassen. Der Markt brummt, wird es wohl noch eine Weile weiter tun,
und kaum je ist so viel für Kunst ausgegeben worden von Sammlern, von
Investoren. Für die Künstler ist das eine schöne Entwicklung. Und der
Kunst wird es nicht schaden. Denn sie ist, verdient sie diesen Namen,
immer mehr als Ware - mögen die Grenzen bisweilen auch verschwimmen.
Drum ist der Kunst-Markt nicht gleichzusetzen mit der Kunst. Sie
handelt, er reagiert.
Nur alle zehn Jahre sieht man es so deutlich wie ab dem Wochenende,
wenn vier der wichtigsten Kunstereignisse der Welt sich überlagern:
Die Biennale in Venedig, die Art Basel, in Kassel die documenta 12,
in Münster die Skulptur-Projekte. Für Fachleute, Sammler, Investoren,
Galeristen Pflichttermine - und für alle anderen Lustgewinn.
In geordneten Bahnen verläuft die Weltkunstproduktion längst nicht
mehr. Die Tendenzen, die die Volksfeste in Italien, Westfalen, Hessen
zeigen, lassen sich nicht mehr in die Schubladen zwängen, mit denen
man noch vor 20 Jahren sehr weit kam, wollte man die kreative Welt
ordnen, gliedern - verstehen. Heute geht alles - abgesehen von
Skandalen. Denn der Stachel der Provokation ist angesichts
fortwährender Beanspruchung längst abgebrochen. An seine Stelle tritt
mehr und mehr eine gewisse Leichtigkeit, die sich bisweilen gar in
Humor äußert. In Münster reflektieren viele Arbeiten über Bande all
das, was Stadt ist und mit uns macht. In Kassel feiert in Gestalt des
documenta-Machers Roger Martin Buergel ironisch gebrochen der
Kuratoren-Despot fröhliche Urständ.
Buergel bekennt sich radikal zur Offenheit - aber nur der eigenen: Er
sagt, wer eingeladen wird und womit. Er verweigert sich Erklärungen.
Er entscheidet, welcher documenta-Besucher beim spanischen Kult-Koch
Ferran Adriá essen darf - in dessen Restaurant elBulli an der Costa
Brava, das somit zum documenta-Ort wird und jeder Gast zum gezählten
documenta-Besucher. Das ist so undemokratisch, unverkrampft,
undogmatisch, bizarr, dass es fast wieder für einen Skandal gut ist.
Aber was sagt es uns? "Alles ist Kunst" ist durch. Vielleicht "Kunst
ist alles". Also die Hauptsache. Der Rummel, den die documenta schon
vor der Eröffnung auslöst, stützt diese These: Über 2700 Journalisten
verfolgten die Eröffnungspressekonferenz vor Ort. In Heiligendamm
waren 5000 akkreditiert. Dimensionen liegen nicht dazwischen - und
der G8-Gipfel hatte ja auch viel von Installation, Environment,
Happening.
Wie auch immer:113 Künstler präsentiert die documenta 12, gut 20
davon sind deutsch oder deutschsprachig - Leipzig und seine Malerei
sind nicht vertreten.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung