Leipziger Volkszeitung zum Bundesliga-Start
Archivmeldung vom 11.08.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.08.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Bundesliga hat uns wieder, das Leben nach Spritz-Tour, Bogenschießen und der Luftnummer Ligapokal bekommt wieder einen tieferen Sinn. Im Dunstkreis dieser nahezu garantiert dopingfreien Leibesübungen knabbern Heerscharen selbsternannter Experten am runden Riesengebäck.
So haben Ärzte zum 45. Saisonstart festgestellt, dass das
Elfmeterschießen in einer TV-Übertragung das Risiko für einen
Herzinfarkt signifikant erhöht. Das Fußballfachorgan Kicker reagierte
prompt, bestraft Schinder tödlicher Elfer ab sofort mit der Note 6!
Ist nur konsequent, wobei eine sofortige Ausbürgerung auch seinen
Reiz hätte. "Einige Leute halten Fußball für einen Kampf um Leben und
Tod", pflegte der englische Kult-Trainer Bill Shankly zu sagen. "Ich
mag diese Einstellung nicht. Ich versichere Ihnen, dass es weit
ernster ist." Wohl wahr, Bill, nur eine Frage der Zeit also, wann
Awacs über deutschen Stadien spähen. Wobei es auch ohne Aufklärer
gläsern und intim wie nie zuvor zugeht. So ist der brasilianische
Kugelblitz Ailton ("Bumm, Tor, das ist Ailton") gar nicht dickleibig,
er wirkt in Ermangelung eines Halses nur so. Und über Geld spricht
man neuerdings, weil man es in nie gekannter Fülle hat. Über 170
Millionen Euro - Rekord! - haben die Eliteklubs in neue Oberschenkel
investiert. Allein die Bayern haben 70 Millionen - auch Rekord! -
raus getan. Als Luca Toni fünf Millionen Euro pro Jahr forderte,
frohlockte Münchens Manager Hoeneß. Dass Weltmeister inNetto-Welten
leben, merkte Uli später, weswegen zehn Millionen gezahlt werden
müssen. Je fünf für Toni und Herrn Steinbrück.
Damit demnächst Ronaldinho gefügig gemacht werden kann, muss noch
viel mehr Holz vor die Hütte. In der englischen Premier League
schüttet Sky Channel 850 Millionen TV-Euro an Manchester United,
Liverpool und Co. aus. Viermal so viel wie hier zu Lande. Dafür
bekommt Sky die einzig wahre Ware, die eben nicht schon eine Stunde
nach dem Abpfiff auf dem Wühltisch der Sportschau oder sonst wo zu
haben ist. Die "Heimat des Fußballs" (Sportschau-Slogan) wird weichen
müssen, spätestens ab 2009, wenn die TV-Rechte zurück auf dem Markt
sind, kommt der durchaus charmante Bremsklotz (Frau Lierhaus) weg.
Beim DFB-Bundestag im Oktober klärt sich zudem, ob die Bundesliga den
Weg für Groß-Investoren frei macht. Geht der Daumen nach oben, könnte
der milliardenschwere Brausehersteller Red Bull in Leipzig oder
Dresden anlanden, den lendenlahmen Fußball-Riesen Flügel verleihen.
Die Bundesliga, schillernd und potent wie nie zuvor, hat uns wieder.
Und es wird ganz bestimmt der Tag kommen, an dem Uli Hoeneß einen
Journalisten, der nicht Waldi-mäßig Sitz macht, mit dem Bayern-Schal
würgt. Und Ernst Middendorp wird irgendwann erklären, wie viele
Chardonnay man wirklich braucht, um auf 1,6 Promille zu kommen. Und
BVB-Grobmotoriker Wörns (will bis 45 kicken, isst deswegen ab 19 Uhr
nur noch Gemüse) wird hoffentlich erkennen, dass ihn so lange kein
Mensch ertragen kann. Und wäre es nicht wunderbar, wenn Cottbus
Meister wird? Oder Rostock?
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung