Kommentar von "nd.DerTag" zur Aufklärung von deutscher Polizeigewalt
Archivmeldung vom 17.07.2023
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.07.2023 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Mary SmithDie Polizei ist in bestimmten Situationen gesetzlich befugt, Gewalt einzusetzen. Sie muss verhältnismäßig sein, also geeignet, um die polizeiliche Maßnahme zu erreichen. Und sie muss angemessen sein. Diese Regeln hören sich klar an, doch sieht die Praxis ganz anders aus.
Polizeigewalt ist durch die tödlichen Schüsse auf einen 17-Jährigen in Frankreich wieder verstärkt ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Doch auch hierzulande vergeht kaum eine Woche, in der nicht auch über polizeiliches Fehlverhalten berichtet wird. Menschen kommen in Polizeigewahrsam zu Tode, Protestierende werden brutal verprügelt oder, wie im Juni in Leipzig bei einer antifaschistischen Demonstration, stundenlang festgehalten - ohne die Möglichkeit, auf Toiletten zu gehen, ohne ausreichende Versorgung mit Wasser.
Auch wenn viele Taten auf Video festgehalten werden oder es eindeutige Zeugenaussagen gibt, müssen die Beamten nur in den wenigsten Fällen mit Konsequenzen für ihr Tun rechnen. Gewalttätige Polizist*innen werden so gut wie nie zur Rechenschaft gezogen.
Dies liegt daran, dass, wer als Opfer von Polizeigewalt einen Beamten anzeigen will, meist mit einer Gegenanzeige wegen "Widerstands gegen die Staatsgewalt" rechnen muss. Die Staatsanwälte und Gerichte, die für Aufklärung sorgen sollen, sind auf die polizeiliche Mitarbeit angewiesen. Somit verlaufen viele Verfahren im Sande. Aus der Zivilgesellschaft gibt es daher schon lange die Forderung nach unabhängigen Beschwerdestellen, wie es sie in zahlreichen anderen Staaten bereits gibt.
Letztendlich müsste die Polizei anerkennen, dass Polizeigewalt ein strukturelles Problem darstellt und es sich nicht nur um individuelles Fehlverhalten handelt. Von selbst wird dies nicht passieren, weswegen es weiterhin politischen Druck braucht.
Quelle: nd.DerTag / nd.DieWoche (ots)