Leipziger Volkszeitung zum Urteil über Nachtflüge
Archivmeldung vom 10.11.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittFreie Bahn für DHL! Für dieses gute Urteil ist ein Kompliment fällig, das nicht allein an die Richter geht. Anerkennung hat sich erstens Milbradts Regierung verdient, der es gelang, DHL mit dem Angebot eines unbeschränkten Nachtbetriebs nach Sachsen zu locken. Zweitens glückte es dem Regierungspräsidium Leipzig, inmitten des Vorschriften-Gestrüpps einen juristisch weitgehend korrekten Planungsbeschluss für die 300-Millionen-Investition zu formulieren.
Die oberste Verwaltungsinstanz hatte drittens zu prüfen, ob die
Planungen im gesetzlichen Rahmen liegen. Das Urteil darüber ist
zweideutig, doch im Kern lautet die Antwort des Bundesgerichts: Ja.
Es gibt grünes Licht für die Entwicklung des Flughafens zum
Frachtdrehkreuz. Die Richter haben erkannt, dass die Schaffung
tausender Arbeitsplätze ein gewichtiges Argument ist.
Aber eben nicht das einzige. "Auf die Nachtruhe der Bevölkerung ist
in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen", heißt es im
Luftverkehrsgesetz. Ein Satz, den das Regierungspräsidium nicht ernst
genug genommen hatte. Allein Dämmung an Häusern genügt nicht. Laut
Gericht ist der nächtliche Umschlag von Expressfracht, wie ihn DHL
plant, zwar zulässig, doch im Gegenzug ist nun der sonstige
Passagier- und Frachtverkehr zwischen 22 und 6 Uhr in Frage gestellt. Das Regierungspräsidium muss prüfen, welche dieser Flüge zwingend
notwendig sind, und das Ergebnis in den Planungsbeschluss aufnehmen.
Zwar wird der Airport versuchen, alle möglichen Starts und Landungen
als höchst wichtig darzustellen, doch die Planungsbehörde steht unter
Druck. Sie muss mit neuerlichen Klagen rechnen und somit eine
Entscheidung fällen, die einer nochmaligen gerichtlichen Beurteilung
standhält. Und die Richter haben gestern mit äußerstem Nachdruck auf
die Bedeutung der Nachtruhe hingewiesen.
Der Flughafen zahlt also für die DHL-Ansiedlung einen Preis: Die
bisher unbegrenzte Nachtflugerlaubnis ist gestrichen. Die Hoffnung
des Airports, aus den vor einigen Monaten verhängten
Nachtflug-Beschränkungen in Berlin-Schönefeld Kapital zu schlagen,
schwindet. Das ist ein Minuspunkt für den Standort Leipzig, doch die
Gesamtrechnung bleibt angesichts der DHL-Ansiedlung positiv. Zumal
das Urteil die Chance eröffnet, auf einer rechtlich sicheren
Grundlage weitere Logistik-Unternehmen, die nachts Expressfracht
umschlagen, nach Leipzig zu holen.
Die Airport-Anwohner sind enttäuscht, weil sich ihre Hoffnung auf ein
totales Nachtflugverbot nicht erfüllt hat. In Wahrheit sind die
Betroffenen keineswegs Verlierer. Es mag Zufall sein, dass dieses
Urteil genau 17 Jahre nach dem Mauerfall verkündet wurde, eine
Erinnerung an alte Zeiten ist jedoch angebracht. In der DDR bestand
keinerlei Möglichkeit, derlei Staatsentscheidungen juristisch prüfen
zu lassen. Heute haben Behörden gehörigen Respekt vor den
Klage-Möglichkeiten des Bürgers. Nur deshalb wurde schon vor dem
Airport-Prozess ein Programm für Lärmdämmung an Wohngebäuden
beschlossen, das alle bisherigen Maßstäbe überbietet.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung