Westfälische Rundschau Dortmund zu "Gewerkschaften und der 1. Mai"
Archivmeldung vom 30.04.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.04.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Demonstrationszüge werden kürzer, mancherorts findet der 1. Mai als Festtag der Gewerkschaften nur noch im Vereinsheim statt. Immer weniger Menschen wissen, warum sie sich an diesem Dienstag aufraffen sollen, um sich von unterschiedlich sprachgewandten Funktionären auf nelkenumrankten Plätzen anbrüllen zu lassen. Die Arbeiterbewegung liegt lieber im Park oder plantscht im Freibad.
All dies sagt zwar nichts über die reale Bedeutung der
Gewerkschaften aus. Aber es belegt den dramatischen Bedeutungsverlust
von ritualisierter Politik in unserer Gesellschaft. Und es könnte die
Basis der Gewerkschaftsbewegung gefährden, wenn in der öffentlichen
Wahrnehmung das Ritual an die Stelle der Wirklichkeit tritt:
Gewerkschaften als präglobalisierte Fossile.
Es wäre eine furchtbare Entwicklung, und es wäre ein historisches
Unrecht an den Gewerkschaften. Eine moderne, intelligent und
grenzüberschreitend handelnde Interessenvertretung für Arbeitnehmer
ist heute so wichtig wie vor 100 Jahren. Die Radikalisierung der
Marktwirtschaft bedroht Sozial- und Umweltstandards, die
Ökonomisierung immer größerer Lebensbereiche bedroht immer häufiger
die Menschlichkeit selbst.
Es gibt kein Wundermittel gegen die Auswüchse der Globalisierung,
so wenig es ein Mittel gegen die Globalisierung gibt. Die
Gewerkschaften haben den Wandel deshalb in vielen Betrieben sehr
pragmatisch mitgestaltet. Sie haben dabei Augenmaß und
Verantwortungsbewusstsein bewiesen, sei es durch tarifliche
Öffnungsklauseln oder lange Lohnzurückhaltung.
Umso wichtiger wäre es, dieser vielfach vor Ort gelebten Modernität auch im Großen Ausdruck zu verleihen. Statt sich noch zehn Jahre an Schröder und Hartz IV abzurackern, sollten Michael Sommer und seine Kollegen besser über die Zukunft sprechen - und darüber, was der DGB zu ihrer Gestaltung beizutragen hat. Gute Ideen wirken auch ohne Megaphon.
Quelle: Pressemitteilung Westfälische Rundschau