LVZ: Nur halbwach
Archivmeldung vom 27.06.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMitunter braucht es eines klitzekleinen Fingerzeigs von außen, dass man auf die richtige Fährte gelenkt wird. Die Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, kurz OECD, kommt einem Wink mit dem Zaunpfahl gleich.
Selbst ein Tiefschläfer, und als
solchen darf man Bundesbildungsministerin Annette Schavan bezeichnen,
muss da aufwachen. Bleibt zu wünschen, dass ihr Vorstoß für einen
leichteren Zuzug von ausländischen Arbeitskräften nicht im
allgemeinen Geschnarche der großen Koalition untergeht. Es ist gerade
einmal eine halbes Jahr her, dass die selbe Regierung mit den
Änderungen am Zuwanderungsrecht die Barrieren für ausländische
Hochqualifizierte höher gelegt hat. Und auch jetzt erntet die
CDU-Ministerin aus dem eigenen Lager alles andere als Zustimmung.
Zugegeben, die stetig steigenden Arbeitslosenzahlen verstellten lange
Zeit den Blick auf die Zukunft, die eine alternde Gesellschaft und
ernsthafte Nachwuchsprobleme in den Unternehmen verheißt. Wie sonst
ist zu erklären, dass 2004 das Punktesystem zur gezielten Auswahl von
Einwanderern - dabei geht es um Alter, Qualifikation oder
Sprachkenntnisse - aus dem Zuwanderungsgesetz gestrichen worden ist.
Obwohl dem Land mit dem drohenden Fachkräftemangel ernsthafte
wirtschaftliche Probleme erwachsen, sind die Reaktionsmuster in
Teilen der Politik heute die gleichen wie in den Vorjahren: Statt
ausgebildete Fachkräfte nach Deutschland zu holen, so wird gefordert,
wäre es besser, Arbeitslose auszubilden. Das ist zwar nicht falsch,
aber eben nur die halbe Wahrheit.
Mit den Hartz-Gesetzen wurden die Gelder für Fort- und Weiterbildung
radikal zusammengestrichen. Seit einigen Monaten korrigiert das die
Bundesagentur für Arbeit, weil sie erkannt hat, welch Wunder, dass
gezielte Schulungen Arbeitslose zu Jobs verhelfen können. Wenn sie
jetzt noch erkennen würde, dass auch Langzeitarbeitslose dank
Fortbildung mehr Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen, wäre schon
viel geholfen. Erschreckend ist, dass etwa 20 Prozent aller neuen
Arbeitslosen Jugendliche sind. An dieser Misere sind auch die
Ausbildungsverweiger unter den Betrieben schuld. Statt mit teuren
Prämien Personal abzuwerben, sollten sie die Gelder in die
Nachwuchsentwicklung stecken.
Den Fachkräftemangel wird aber auch das nicht verhindern. In Europa
und darüber hinaus ist seit Jahren ein Kampf um die besten Köpfe
entbrannt, den Deutschland, das zeigen die enorm gestiegenen
Auswanderungszahlen, gnadenlos zu verlieren droht. Die Diskussion
darf sich jetzt nicht auf herabgesetzte Verdienstgrenzen beschränken.
Ehe Deutschland etwa im Pflegebereich Ausländern die Tür öffnet, sind
vermutlich potenzielle Arbeitskräfte längst weiter westlich, etwa in
England oder den Niederlanden, untergekommen.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung