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Börsen-Zeitung: Kartenhaus

Archivmeldung vom 17.09.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.09.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Die Angriffe der Huthi-Rebellen auf zwei saudi-arabische Ölverarbeitungsanlagen waren gut gezielt. Sie haben rund die Hälfte der saudischen Ölproduktion lahmgelegt, und das wohl nicht nur für Wochen, sondern für Monate - mit dem Ergebnis eines bereits kräftig gestiegenen Ölpreises. Sie dürften auch den Börsengang der staatlichen saudischen Ölgesellschaft Aramco zu Fall bringen.

Wer kauft schon Aktien eines Unternehmens, dessen Produktionsanlagen jederzeit zerstört werden können? Der vom Kronprinz Mohammed bin Salman begonnene und brutal geführte Jemen-Krieg wird immer mehr zu einer Blamage für das Königshaus. Die deutlich besser ausgerüsteten Hilfstruppen der Saudis und der Vereinigten Arabischen Emirate geraten immer mehr ins Hintertreffen. Mit ihrer neuen, vom Iran gelieferten Drohnen- und Raketentechnologie sind die Huthis inzwischen in der Lage, in ganz Saudi-Arabien schwere Schäden anzurichten. Der Jemen-Krieg lässt erahnen, wie eine Konfrontation mit dem Iran ausgehen würde, der über sehr viel mehr und deutlich fortschrittlichere ballistische Systeme sowie über schlagkräftige Bodentruppen verfügt. Bin Salman hat es auch bereits geschafft, nicht nur das Verhältnis zu Katar zu vergiften, sondern auch zu den Vereinigten Arabischen Emiraten. Es bleiben somit nur noch Israel und die USA als enge Verbündete, wobei deren offensive militärische Fähigkeiten seit den Golfkriegen stark abgenommen haben.

Der Krieg im Jemen kostet Saudi-Arabien mehrere Milliarden Dollar im Monat. Ein von den Saudis angestrebter Waffenstillstand liegt in weiter Ferne, da die Huthis darauf bestehen, dass sie Reparationen in Höhe vieler Milliarden Dollar für die von den Saudis völlig zerstörte zivile Infrastruktur des Jemen erhalten. Derartige Zahlungen können sich die Saudis aber kaum mehr leisten, da der Staatshaushalt bereits jetzt ein Defizit aufweist. Das Königshaus hat mittlerweile auch die hohen Leistungen an die eigene Bevölkerung weitgehend aufgegeben, mit denen sie jahrzehntelang die Ruhe im Land erkauft hat. Dadurch ist das Regime immer anfälliger und die extrem teure Neuausrichtung der Wirtschaft rund um die neu zu bauende Wüstenmetropole Neom wird damit zu einer reinen Fantasie.

Saudi-Arabien und sein Regime erscheinen mittlerweile als ein Kartenhaus, das schon auf leichten inneren und äußeren Druck in sich zusammenfallen könnte. Die Welt muss sich möglicherweise auf einen deutlich höheren Ölpreis einstellen.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Dieter Kuckelkorn

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