Börsen-Zeitung: Mehr Schulden ohne Bremse
Archivmeldung vom 07.01.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEine ganze Heerschar von Politikern hat sich im Zuge der nahenden Vereinbarung über ein weiteres Konjunkturpaket über 50 Mrd. Euro für einen verbindlichen Plan zum Schuldenabbau ausgesprochen. Parteigrenzen sind dabei aufgehoben.
Zu den Befürwortern gehören der Vorsitzende der CDU-Nachwuchsorganisation Junge Union, Philipp Mißfelder, und Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) ebenso, wie der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, zugleich Vizevorsitzender der Sozialdemokratischen Partei.
Es zeugt von Weitsicht, nicht nur die akuten Wirkungen staatlicher Interventionen zur Konjunkturstützung im Auge zu haben, sondern auch die langfristigen Lasten, die durch zusätzliche Staatsverschuldung gefolgt von Zins und Tilgung für die öffentlichen Haushalte und letztlich die Steuerzahler entstehen. Diese Einsicht kommt jedoch spät, wenn nicht zu spät. Die Reform des förderalen Finanzsystems hatte die große Koalition schon im Dezember 2006 auf die Agenda gesetzt. Bis Ende 2008 wollten die Vorsitzenden der Reformkommission, Oettinger und Struck, Vorschläge zu einer Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen einschließlich einer wirksamen Schuldenbremse vorlegen. Über Eckpunkte sind sie nicht hinausgekommen. Im Herbst hat die Finanzkrise die Arbeit der Föderalismuskommission schließlich gänzlich überrollt.
Die Gunst der Stunde hat die große Koalition damit verpasst. Die Zeiten einer bequemen Finanzlage mit sprudelnden Steuereinnahmen, in der sich leichter disziplinierende Beschlüsse fassen lassen, sind vorbei. Zudem rückt die Bundestagswahl im Herbst näher; diverse die Politik lähmende Landtagswahlen liegen noch davor.
Die lauten Forderungen nach Regelung zum Schuldenabbau sind nicht viel wert. Den Beschluss zum Konjunkturpaket II sollten sie nicht bremsen. Denn wenn das Paket helfen soll, muss es zügig kommen. Eine flankierende Erklärung zu einer späteren Schuldenrückführung wird damit nur ein Lippenbekenntnis bleiben. Aber mal ganz ehrlich: Soll es tatsächlich um Schuldenabbau gehen? Ein Erfolg wäre es doch schon, den beständig steigenden Schuldenaufbau zu stoppen. Der Bund zumindest hat trotz finanziell guter Zeiten dazu bislang keine Disziplin bewiesen.
Quelle: Börsen-Zeitung (von Angela Wefers)