Der "Weser-Kurier" (Bremen) kommentiert den "Armutsbericht" von Bundessozialminister Olaf Scholz:
Archivmeldung vom 19.05.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Mix macht's von Joerg Helge Wagner Eitelkeit war sicherlich nicht das Motiv, als Sozialminister Olaf Scholz schon vor der offiziellen Vorstellung seines "Armutsberichts" die wichtigsten Zahlen via "Bild am Sonntag" verbreitete - dazu sind diese Zahlen einfach zu schlecht. Glänzen kann damit keiner, am wenigsten der verantwortliche Minister.
Nein, man darf Scholz unterstellen, dass er schlicht Alarm schlagen will. Er weiß, dass am relativ nachrichtenarmen Sonntag sein Signal deutlicher wahrgenommen wird als im Berliner Alltagsbetrieb. So weit, so ehrenwert. Fragwürdig sind indes die Schlüsse, die der Arbeits- und Sozialminister aus seinem Zahlenmaterial zieht und flugs in politische Forderungen verwandelt. Ohne Sozialtransfers wie Arbeitslosen-, Wohn- oder Kindergeld wären doppelt so viele Menschen in Deutschland arm - nämlich jeder Vierte - sagt Scholz und kanzelt damit jede Überlegung einer Steuersenkung ab. Denn: Der Sozialstaat sei "nicht für umsonst zu haben", folglich gingen Steuererleichterungen zu Lasten von Arbeitslosen und Rentnern. Abgesehen davon, dass die meisten von denen auch Steuerzahler sind: Die Tatsache, dass man in den unteren Lohn- und Gehaltsgruppen immer schlechter von seinem Arbeitseinkommen leben kann, liegt natürlich auch an der permanenten Steuer- und Abgabenerhöhung der vergangenen Jahre. Hier sind sich linke Wirtschaftswissenschaftler wie der Bremer Rudolf Hickel, die CSU-Führung und FDP-Generalsekretär Dirk Niebel bemerkenswert einig. Nun setzen allerdings die einen auf Mindestlöhne, Vermögensteuer und höhere Spitzensteuersätze, während die anderen auf Liberalisierung, Entbürokratisierung und die Selbstfinanzierung von Steuerentlastungen schwören. Dabei zeigt die Erfahrung der jüngeren Zeit, dass man einen Mix braucht. Brummende Konjunktur und wiederbelebter Arbeitsmarkt alleine mindern ja offenbar nicht das Risiko der Verarmung. Andererseits würde eine reine Umverteilungspolitik auch noch diese Konjunktur abwürgen. Was für eine Aufgabe für eine wahrhaft große Koalition!
Quelle: Weser-Kurier