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LVZ: Weniger Wettbewerb

Archivmeldung vom 27.06.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 27.06.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Versprochen - gebrochen! Mit solch beißender Kritik pflegte Angela Merkel ihren Vorgänger Gerhard Schröder zu nerven, als sie noch Oppositionschefin war. Jetzt könnte der Spruch zum Leitfaden ihrer eigenen Kanzlerschaft werden.

Noch vor ein paar Monaten hatte Merkel schwadroniert, sie wolle "mehr Freiheit wagen".  Das konnte nur bedeuten, der längst überforderte Staat solle zurückgedrängt und den Bürgern Eigenverantwortung zurückgegeben werden. Seitdem praktiziert die Kanzlerin mit Hartnäckigkeit genau das Gegenteil. Längst vergessen ist die Zeit, als Merkel noch die neue Marktwirtschaft ausrief. Inzwischen setzt sie auf mehr statt weniger Staat. Diese großkoalitionäre Grundlinie ihres neuen Denkens prägt auch den sich abzeichnenden Kompromiss in der Gesundheitspolitik. Anders als Merkel kühn behauptet, bedeutet der angepeilte Gesundheitsfonds nicht mehr, sondern weniger Wettbewerb. Einheitsbeiträge für die Krankenkassen laufen früher oder später auch auf eine Einheitskasse hinaus. Mehr Wettbewerb ließe sich leicht herstellen, wenn es endlich eine freie Kassenwahl für alle Patienten gäbe. Auch müssten bei Privatkassen Versicherte unter Mitnahme ihrer Altersrückstellungen wechseln dürfen. Stattdessen droht jetzt ein vom Staat kontrollierter Fond. Damit ist die Umstellung auf ein steuerfinanziertes Gesundheitssystem eingeleitet. Zwar brüstet sich die Union damit, dass zunächst nur rund 16 Milliarden frische Euro für dann mitversicherte Kinder über Steuern ins System gepumpt werden sollen, während die SPD gleich dreimal so kräftig zulangen wollte. Aber die völlige Umstellung ist damit nur eine Frage der Zeit. Genauso wie höhere Beitrags-Bemessungsgrenzen, die Einbeziehung von Spargroschen-Zinsen oder Mieteinnahmen bei den Beitragszahlungen, die ja auch noch fällig sind.
Nur magere zwei Milliarden Euro will die große Koalition durch echte Strukturreformen im Gesundheitssystem einsparen, obwohl die meisten Experten von einem erheblich größeren Sparpotential ausgehen. Doppelbehandlungen einzudämmen ist gut, wirkt aber wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Schon für die Abschaffung des Apothekenprivilegs fehlt der Mut. Nur noch in drei Ländern wird pro Kopf mehr Geld als in Deutschland in das Gesundheitssystem gezahlt, aber trotzdem reicht es nicht. Wenn Merkel den Bürgern erzählt, es gehe auf keinen Fall darum, ihnen in die Tasche zu greifen, ist das unglaubwürdig. Um nicht zu zerfallen, muss die Koalition eine undurchdachte Gesundheitsreform durchpauken, die womöglich mehr schadet als nützt.

Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung

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