Leipziger Volkszeitung zu Hartz-Korrekturen
Archivmeldung vom 02.10.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs ist beschämend, dass eine Volkspartei mit dem Begriff sozial im Namen erst jetzt die Schrödersche Agenda hinterfragt. Ob schlechte Umfragewerte oder der Mitgliederschwund in Richtung Linke Kurt Beck zum Handeln zwingen, sei dahingestellt. Die Korrekturen an den Hartz-Gesetzen sind längst überfällig.
Zweifelsohne war die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe
richtig. Mit dem Prinzip Fordern und Fördern fand Schröder eine
passende Antwort auf die Veränderungen am Arbeitsmarkt. Aber der von
ihm angeführten rot-grünen Regierung fehlte bei diesem gewaltigsten
Einschnitt in das Sozialsystem seit Bestehen der Bundesrepublik
leider jegliches Fingerspitzengefühl. Der Monat für Monat in den
Arbeitsmarktberichten vermeldete hohe Bestand an Langzeitarbeitslosen
hätte vermieden werden können, wenn beim Arbeitslosengeld (Alg) I
mehr differenziert worden wäre. Ältere, die oft ein Leben lang in die
Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben, fühlen sich zu Recht
doppelt bestraft: Denn nach einem Jahr ohne Beschäftigung fallen ihre
Ansprüche nicht nur auf Sozialhilfeniveau zurück - sie haben auch
kaum Chancen auf eine Vermittlung, da sich die Bundesagentur
vorwiegend auf den Alg-I-Bereich konzentriert und
Beschäftigungsförderung eingeschränkt hat.
Deshalb sollte neben einer Verlängerung der Bezugsdauer für Ältere
auch über eine Verbesserung von Qualifizierung und Vermittlung für
Langzeitarbeitslose nachgedacht werden. Dank der gewaltigen
Überschüsse der Bundesagentur für Arbeit wären die Spielräume dafür
da.
"Der Aufstieg der einen darf nicht der Abstieg der anderen sein",
sagt Bundespräsident Horst Köhler, der in seiner Globalisierungsrede
weitere Strukturreformen anmahnt, damit Deutschland zukunftsfähig
bleibt. Nötig wären die bei der Zeitarbeit. Nach ihrer
Liberalisierung durch die Agenda 2010 gilt sie als der eigentliche
Motor am Arbeitsmarkt. Doch statt damit Auftragsspitzen abzufangen,
stellen immer mehr Unternehmen Leihkräfte ein, um Kosten zu sparen
und tragen so zur Ungleichheit bei den Einkommen bei.
Bleibt zu hoffen, dass die SPD mit ihrem jetzigen Vorstoß, Zeitarbeit
zu befristen, nicht ähnlich endet wie beim Mindestlohn. Jeder solle
von seiner Hände Arbeit leben können, war das eigentliche Ziel. Das
Gerangel um den Post-Mindestlohn in der großen Koalition offenbart
das komplette Versagen der Politik auf diesem Gebiet. Hier geht es
einem Arbeitgeber, also der Post, schlicht darum, sein
Geschäftsmodell zu verteidigen. Wie sonst ist zu erklären, dass er
den vereinbarten Mindestlohn als zu niedrig bewertet, während die
Konkurrenz um ihre Wettbewerbsfähigkeit fürchtet. Besser als ein
branchenspezifischer wäre ein flächendeckender gesetzlicher
Mindestlohn, der über dem Arbeitslosengeld II liegt. So könnte dem
wettbewerbsfeindlichen Lohndumping, das immer mehr um sich greift,
ein Riegel vorgeschoben werden. Hunderttausende Menschen beziehen,
obwohl sie Vollzeit arbeiten, ergänzende Hilfe. Damit wird
Sozialleistung zur Subventionierung für Unternehmen, die schlichtweg
Lohnkosten sparen.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung