WAZ: Streit um das Rundfunkgesetz
Archivmeldung vom 13.06.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas Internet verändert die Welt! Toll und wie wahr ist diese Aussage. Doch sie ist eine Binse; man hört sie täglich, von jedem und überall. Was aber nicht jeder und überall erkennt, ist das tatsächliche Ausmaß und der konkrete Einfluss dieser Informations-Revolution im täglichen Leben.
Besonders nachhaltig hat das Internet in die Medienwelt
eingegriffen. Die Zeitungsverleger haben Milliarden investiert, um
diese Säule neben ihren gedruckten Titeln zu installieren. Ein
gewaltiger technischer Aufwand; dazu wurden eigene Redaktionen, somit
neue journalistische Stellen geschaffen. Folglich hat das Internet
auch Redaktionsabläufe verändert. Geblieben aber ist dies: das
Selbstverständnis, genau wie im Zeitungsbetrieb auch online soliden,
sauberen Qualitätsjournalimus an Nachrichten,
Hintergrundinformationen, Analysen und Kommentaren zu bieten.
Insofern ist das Internet der Verlage nichts anderes als die
logische, mit der heutigen Technik möglichen Weiterentwicklung der
Zeitung.
Inzwischen hat "Online" jedoch auch verstärkt Begehrlichkeiten
der öffentlich-rechtlich Sender ARD und ZDF geweckt. Ihnen läuft das
junge Publikum weg; per Internet wollen sie (nicht nur) diese wieder
einfangen. Sie bauen ihr Online-Angebot aus. Nur gegenüber den
privaten Verlagen mit einem wettbewerbsverzerrenden Vorteil: Sie sind
gebührenfinanziert. Und das ist der Kern der Auseinandersetzung, um
die es bei der Änderung des Rundfunkstaatsvertrages geht. Vor allem
kleineren Verlagen, die mit Internet-Angeboten hohes finanzielles
Risiko betreiben, drohte bei einem solchen ebenso unfairen wie nicht
marktwirtschaftlichen Wettbewerb das Aus.
Am Donnerstag sind die Länder-Regierungschefs übereingekommen, dass
ARD und ZDF ihre Internet-Angebote einschränken müssen. Sie dürfen
mit dem (zwangseingetriebenem) Geld der Gebührenzahler keine
Zeitungskonkurrenz in Form einer "elektronische Presse" betreiben und
ihre Angebote müssen sendungsbezogen sein. Allerdings darf
"sendungsbezogen" kein von den Sendern dehnbarer Begriff bleiben, der
ihnen die Tür zum Online-Vollangebot öffnet. Erst wenn das
sichergestellt ist, wäre dieser Vertragsteil ordnungspolitisch
sauber.
Jetzt könnten auch Erwartungen der Sender zunichte sein, per
Internet massiv in die Lokalberichterstattung einzusteigen. Auch das
ist ein Versuch, mit fremdem Geld auf fremdem Terrain zu wildern.
Aber noch ist der Vertrag nicht unterschrieben. Den zuständigen
Beratungsgremien fällt die Aufgabe zu, raffinierte Schlupflöcher zu
stopfen.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (von Rolf Potthoff)