Börsen-Zeitung: Das Schwarzer-Peter-Spiel
Archivmeldung vom 03.09.2010
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 03.09.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittJedes Mal, wenn es darum geht, eine Karte aus dem verdeckten Blatt des gegnerischen Spielers zu ziehen, schlägt das Herz ein paar Takte schneller. Nur bloß nicht den Schwarzen Peter ziehen! Ein nettes Kartenspiel für Kinder, bei dem erlernt wird, die eigenen Emotionen im Zaum zu halten.
Offenbar finden aber nicht nur Kinder Gefallen an diesem Spiel, wie die monatelangen Verhandlungen um den insolventen Warenhausbetreiber Karstadt belegen. Denn bis zuletzt ging es darum, den Anfang Juni zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Investor Nicolas Berggruen geschlossenen Kaufvertrag auszuhebeln, ohne dabei die Schuld an der im Extremfall drohenden Zerschlagung der Warenhauskette übernehmen zu müssen. Denn für diesen Fall war angesichts von 25000 Beschäftigten, deren Arbeitsplätze unmittelbar gefährdet wären, Ärger mit Berlin programmiert.
Ein Szenario, das gerade für Banken wie Goldman Sachs und Deutsche Bank - die einerseits Hauptakteure auf Seiten des Vermieterkonsortiums Highstreet sind und sich andererseits gerne als Regierungsberater in Finanz- und Privatisierungsfragen empfehlen - traumatisch sein muss. Zwar hatte sich die Bundesregierung im Frühjahr 2009 ganz bewusst gegen eine direkte Einmischung in den Insolvenzfall Arcandor ausgesprochen, ein Freibrief für die Verhandlungsparteien war das jedoch nicht.
So gab Goldman Sachs, die sich lange gegen die Berggruen-Offerte stemmte, als Erste den Widerstand auf. Die Deutsche Bank bekannte sich letztlich auch zu dem Konzept des Deutsch-Amerikaners, nachdem dieser ihr ganz unverblümt die Schuld an der fehlenden Einigung in die Schuhe geschoben hatte. Am Ende waren es die Geldgeber des Vermieterkonsortiums, die den Buhmann noch ziehen konnten. Hier machte aber der Insolvenzverwalter mit der Präsentation des Zerschlagungsszenarios den entscheidenden Stich.
Für alle bei Highstreet Beteiligten ging und geht es um viel Geld. Das Immobilienportfolio wurde beim Kauf mit 4,5 Mrd. Euro bewertet und mit Krediten von 3,4 Mrd. Euro finanziert. Die Kredite, so die damalige Milchmädchenrechnung, sollten aus den steigenden Mieteinnahmen bedient werden. Dass sich die mit Verlust arbeitenden Warenhäuser das auf Dauer nicht würden leisten können, war eigentlich absehbar. Doch im Hype regiert nun einmal die Gier.
Quelle: Börsen-Zeitung