LVZ: Kalküle
Archivmeldung vom 10.09.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs knirscht in der Großen Koalition. Wieder mal. Die Christdemokraten gehen mit den Liberalen auf Tuchfühlung, um mögliche Bündnisse der Zukunft abzuklopfen. Und gleichzeitig schürt SPD-Chef Kurt Beck einen Konflikt, weil er das Reform-Tempo drosseln und keine neuen sozialen Einschnitte zulassen will.
Es sieht ganz so aus, als ob das
Wahlkampf-Geplänkel der beiden Koalitionäre langsam aber sicher in
Fahrt kommt.
Aber mehr als ein Geplänkel ist das Ganze auch nicht. Bündnisse
auszuloten, gehört zum politischen Alltag. Sein Profil bei der
eigenen Klientel zu schärfen, auch wenn die Umfragewerte im Keller
sind. Doch der Zeitpunkt, den sich CDU-General Pofalla und Beck dafür
ausgewählt haben, ist schon ungewöhnlich: Zwei Jahre vor der nächsten
Bundestagswahl im Herbst 2009 ist es zu früh, um notwendige Reformen
aus Kalkül aufs Eis zu legen oder sich nach anderen
Mehrheitsverhältnissen umzuschauen. Das belastet das Klima, schürt
Misstrauen und führt nur dazu, dass die Koalition nicht abarbeitet,
was eigentlich noch abgearbeitet werden muss.
Doch davon ist sie sowieso weit entfernt. Reformen werden nicht über
Nacht gemacht und wichtige, die an die Substanz und an einen
strukturellen Umbau des Systems gehen, schon gar nicht. Zumal
wichtige bereits sang- und klanglos abgehakt oder auf Wiedervorlage
gelegt worden sind. Etwa in der Entbürokratisierung. Oder bei den
sozialen Sicherungssystemen. Die Steuerfinanzierung der Renten- und
Arbeitslosenversicherung jedenfalls ist schon lange in der Schublade
verschwunden, obwohl die Lohnnebenkosten nach wie vor ein
Hauptproblem des Wirtschaftsstandortes Deutschland sind. Wenn die
Union wie angekündigt alles daran setzt, den Aufschwung zu stützen,
kommt sie im Prinzip angesichts des demografischen Wandels an diesem
Thema nicht vorbei.
Das gilt auch für die Sozialdemokraten. Doch die spielen sich wegen
der Konkurrenz von Gysi, Lafontaine & Co. schon im Vorfeld als Anwalt
des kleinen Mannes auf und bekämpfen die soziale Ungerechtigkeit,
obwohl die Vorschläge der Bündnispartner nur im Groben bekannt sind.
Damit soll der anstehenden Klausurtagung der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion, auf der die Unions-Abgeordneten eine
weitere Liberalisierung des Arbeitsmarktes anschieben und
Steuerentlastungen vorschlagen wollen, schon im Vorfeld Wind aus den
Segeln genommen werden.
Doch in einer Großen Koalition, die große Probleme wegräumen kann,
darf es zur Halbzeit der Legislaturperiode nicht darum gehen, wer mit
welchen taktischen Spielchen punktet. Vom Wahlvolk wird das ohnehin
nicht gutgeheißen. Das will nämlich eine sach- und
problemlösungsorientierte Politik - politisches Kalkül hin,
politisches Kalkül her.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung