WAZ: Finanzkrise
Archivmeldung vom 19.03.2008
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.03.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Hilferuf von Josef Ackermann klingt ein wenig so, als hätte der renommierteste aus der Branche der Panzerknacker beim Gefängnisaufseher um Schutzhaft nachgesucht. Es ist gewiss nicht alltäglich, wenn der Chef der Deutschen Bank den Staat zu Hilfe ruft und darauf verweist, dass es der Markt, der es sonst immer richtet, nun nicht mehr richte. Schluss mit der Selbstheilungskraft des Marktes?
Ackermanns Einlassung ist aus zweierlei Sicht zu deuten: Die
erste, wenig schmeichelhafte: Hier versucht wieder einmal ein Mann
der Wirtschaft Risiken, die die Geldhäuser zu Hauf und ohne Sinn,
Verstand und vor allem Kontrolle eingegangen sind, dem Steuerzahler
unterzuschieben. Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren - das
ist ein gern gespieltes Spiel auch deshalb, weil die Politik sich
allzu oft darauf eingelassen hat. Wenn das Ackermanns Antrieb wäre,
man könnte den Fall ad acta legen.
Die zweite Deutung ist bedrohlicher und lautet: Die
internationale Finanzszene bekommt die Krise ohne Staatshilfe nicht
mehr in den Griff. Nur: Was stellen sich die Banker eigentlich vor,
wie der Staat eine Vertrauenskrise, denn um nichts anderes handelt es
sich, bereinigen soll? Wenn Vorstandschefs von großen Banken wie bei
Bear Stearns fast bis zum letzten Tag drohende Milliarden-Verluste
leugnen, wenn der eine Nadelstreifen-Träger dem anderen nicht mehr
über den Weg traut und die eine Bank der anderen kein Geld mehr
leiht?
Die Notenbanken können nicht mehr machen, als sie jetzt schon
tun: zu günstigen Zinsen frisches Geld in den Markt pumpen.
Regierungen können künftig internationale Finanzregeln aufstellen,
sie kontrollieren und den Handlungsspielraum der Geldhäuser
einschränken. Wenn es das ist, was Ackermann fordert, wäre es schön,
er würde es so deutlich sagen.
Allerdings änderte auch das an der aktuellen Finanzkrise nichts.
Die wird uns noch einige Zeit in Atem halten, die Amerikaner stärker
als die Europäer. In den USA sinken jetzt schon Einzelhandelsumsätze
und Industrieproduktion - das Gespenst der Depression ist erwacht.
Wobei auch hier klarzustellen ist: Anders als 1929 sind die
Aktienkurse der Unternehmen nicht spekulativ aufgeblasen, es war eine
Immobilienblase, die in den USA geplatzt ist. Das ist schlimm genug,
wird auch Folgen für Europa haben. Die Krise ist ernst, aber eine
Weltwirtschaftskrise wie 1930 - die ist nicht in Sicht. Die Politik
sollte sich dennoch eine bessere Finanzkontrolle einfallen lassen.
Vielleicht hilft dabei Josef Ackermann.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung