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BERLINER MORGENPOST: Macht endlich die Schule zum Thema

Archivmeldung vom 15.08.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.08.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Wenn heute früh viele Berliner Eltern ihre Kinder für die Schule fertig machen und anschließend auf dem Weg zur Schule all die Wahlplakate sehen, dann sind sie um eine Erkenntnis reicher: Die verfehlte Schulpolitik ist in der Hauptstadt kein Wahlthema. Obwohl darüber unter Eltern heftig und kontrovers diskutiert wird. Sei es das Scheitern von JüL (Jahrgangsübergreifendes Lernen); die hektische Einführung der Sekundarschulen; die hilflose Fixierung auf den Notendurchschnitt, wenn es um den Wechsel von der Grund- zur weiterführenden Schule geht; sei es der Wegfall des Wohnortprinzips oder der Geschwisterregelung - all das sind Aufreger, über die man in diesem Sommer bei jeder Gartenparty locker mit anderen Eltern ins Gespräch kommt.

Viele sind unzufrieden. Trotzdem, und hier kommt die bittere Erkenntnis: Ein großes Thema ist die Schulpolitik im Wahlkampf nicht. Die Berliner Schulmisere findet auf den Plakaten kaum statt. Was bieten die Parteien uns Eltern an? Der Regierende Bürgermeister und seine SPD eine völlig politikfreie Wohlfühlkampagne ("Berlin verstehen"). Auch die Opposition schnurrt sanft. "Renate sorgt für bessere Bildung" steht bei den Grünen, Frau Künast zeigt sich von Kita-Kindern aller Berliner Hautfarben umringt. Und Frank Henkel erzählt in seinem Wahlspot zu melodischer Klaviermusik ausführlich, wie stolz er auf Berlin ist, um dann in einem mageren Halbsatz zu erklären, auch für die "verunsicherten Eltern und Schüler" sei er da. Alles bleibt vage, unkonkret. Dabei mangelt es nicht an konkreten Kritikpunkten. Was ist los? Ist Schule etwa nicht wahlkampftauglich, das Thema nicht wichtig genug? In Hamburg hatte Ole von Beust (CDU) sein Schicksal als Bürgermeister an eine ungeliebte Schulreform geknüpft. Als die per Volksentscheid in der ursprünglichen Form scheiterte, trat er zurück. In Baden-Württemberg war es eine der ersten Taten der rot-grünen Regierung, die Studiengebühren abzuschaffen. Genauso plant es Nordrhein-Westfalen. Fazit: Schule und Bildung sind hochpolitische Themen - nur nicht in Berlin. Warum nicht? Wo doch so viele Berliner Eltern unzufrieden sind. Zu wenige Lehrer, zu schlechte Bildung. Lässt sich daraus für die Opposition keine politische Kraft gewinnen? Das Problem und zugleich der einzige Trost an der Berliner Schulpolitik ist: Sie lässt Schlupflöcher. Wen die Bildung seines Kindes interessiert, der findet Schleichwege. Vorbei am Behördenwahnsinn, an der Sekundarschule, ab aufs grundständige Gymnasium; vorbei an JüL, hinein in eine der Internationalen Schulen. Oder zu Waldorf und Montessori. Und wer wirklich freie Schulwahl will, der trimmt sein Kind mit Nachhilfe notenfit. Viele Schleichwege in die erste Bildungsklasse kosten Geld, das nur betuchte Eltern haben. Den anderen bleibt die zweite Klasse - eine Ungerechtigkeit, die der rot-rote Senat gern schweigend in Kauf nimmt. Hauptsache, die bürgerlichen Eltern sind halbwegs ruhiggestellt. So mogeln sich alle durch. Denn wären die Eltern mit dem höheren Einkommen richtig unzufrieden, würden sie Krach schlagen - so wie die Hamburger per Volksentscheid. Dann würde die chaotische Berliner Schulpolitik endlich zum wahlentscheidenden Thema. Das wäre gut für alle.

Quelle: BERLINER MORGENPOST (ots)

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