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Westdeutsche Zeitung: Die getriebenen Staatenlenker

Archivmeldung vom 07.12.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 07.12.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

In der Antike wurde der Überbringer schlechter Nachrichten geköpft. Doch Standard & Poor's ist viel mehr als nur ein solcher Bote. In einer Anmaßung von Macht setzt die private US-Ratingagentur Europas Staatenlenkern vor ihrem Gipfel die Pistole auf die Brust: Entscheidet ihr nicht so, wie wir es erwarten, dann lassen wir euch und euer gesamtes Rettungsprojekt durchfallen. Das hieße, dass die Prophezeiung schon aufgrund dieser Benotung und den zu zahlenden höheren Zinsen zur teuren Realität wird.

Durch nichts ist die Ratingagentur, die da so unverhohlen Druck auf die demokratisch Legitimierten macht, ihrerseits legitimiert. Und kann doch Politik machen, die uns alle betrifft. Nun sagen einige, es sei doch ganz heilsam, dass Standard & Poor's seine Warnung vor dem Brüsseler Gipfel ausgesprochen hat. Doch das macht die Sache nicht besser. Denn auch das Beschönigen der Einmischung als Ansporn für die Politik ändert nichts daran: Dieser undurchsichtige Mitspieler von jenseits des Ozeans hat kein Mandat für seine unerbetenen Ratschläge. Während die europäischen Akteure darauf verweisen, sie unternähmen doch schon alle Sparanstrengungen, ist aus den Fingerzeigen der Ratingagentur durchaus herauszulesen, was sie erwartet. Dass nämlich "ein allein auf Sparprogramme ausgerichteter Reformprozess" nicht ausreiche. "Mehr tun", lautet also die Order. Was das heißen soll, lässt sich unschwer erkennen: Die Europäische Zentralbank soll kräftig Staatsanleihen aufkaufen - was wiederum hieße, dass die Gelddruckmaschine angeworfen wird. Inflation wäre die für uns alle teure Folge. Dass sich die Politik all dies ohnmächtig gefallen lassen muss, hat sie freilich auch sich selbst zuzuschreiben. Wie lange hangelt man sich schon von Gipfel zu Gipfel, ohne dass es je zum echten Befreiungsschlag gekommen wäre? Derweil steigen die staatlichen Haftungsversprechen in immer schwindelerregendere Höhen. Es ist auch gar zu bequem, Schuldversprechen zu geben, die nachfolgende Generationen dann bedienen sollen. Auch wenn das keiner wollen kann: Es ist gar nicht so unwahrscheinlich, dass schon dieser Generation, die die Schulden so eigensüchtig auftürmte, die Konsequenzen um die Ohren fliegen.

Quelle: Westdeutsche Zeitung (ots)

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