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WAZ: Es gibt keine Insel des Sports

Archivmeldung vom 31.12.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 31.12.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Vorbei dieses Jahr. Dahin wie ein Lufthauch. Dahin mit allen kunterbunten Träumen, allen hochgesteckten Hoffnungen, allen anspruchsvollen Erwartungen, aus denen nicht immer geworden ist, was eigentlich hätte werden sollen.

Deutschlands nationale Fußball-Auslese nannte den Europameisterschafts-Titel als Zielvorgabe, scheiterte jedoch auf eher klägliche Weise an Spanien und provozierte später ein teilweise unwürdiges innerbetriebliches Gezänk. Und auch das zweite Top-Ereignis des sportiven 52-Wochen-Rennens hinterließ keine mitreißende Nachhaltigkeit: Die Olympischen Spiele in Peking, mit denen China den globalen Freundeskreis erweitern wollte, wurden für den unerreichten Sprint-Stern Usain Bolt, für den amerikanischen Ausnahme-Schwimmer Michael Phelps, auch für den österreichisch-deutschen Gewichtheber Matthias Steiner, für Goldgewinner wie Britta Steffen und Britta Heidemann zu emotionalen Unvergesslichkeiten. Doch Gastgeber China, das Internationale Olympische Komitee und die Politik haben den Medaillenspiegel keineswegs auf Hochglanz poliert. Zwar ist das Reizthema Tibet vorübergehend sensibilisiert, das Problem aber nicht auf Dauer gelöst worden. Im Gegenteil: Nur wenige Monate nach weltweiten Aufgeregtheiten, nach forsch formulierten Boykottandrohungen gegenüber Peking, ist von Tibet, von chinesischen Menschenrechtsverletzungen, vom brutalen Missbrauch der Macht nicht mehr die Rede. Olympia war da, aber nur auf Durchreise, und die Karawane zieht weiter, ohne markante Spuren zu hinterlassen, die für die Welt zu neuen, attraktiven Zielen führen könnten. Und das IOC, das in zähen Verhandlungen um kapitale finanzielle Zuwachsraten eine erstaunliche Muskelkraft beweist, ist gegenüber China eingeknickt. Aber auch China hat in der gläubigen Hoffnung auf den Sport nicht profitieren können. Das Sonntagsgesicht der Sommerspiele ist verschwunden, der Alltag zeigt sich wieder in seiner zuweilen fratzenhaften Grausamkeit. Das ist schade, wirklich jammerschade. Aber es ist leider die Wirklichkeit, die sich wohl auch in der Nacht von 2008 auf 2009 nicht ändern wird. Denn der Sport lebt nicht auf einer Trauminsel dieser Welt, sondern mittendrin.

Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (von Hans-Josef Justen)

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