Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Landespartei der Grünen
Archivmeldung vom 08.02.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie NRW-Grünen fühlen sich so stark wie lange nicht mehr. Die Affäre um die CDU-Landtagspräsidentin Regina van Dinther haben sie ins Rollen gebracht. Ihr Lieblingsgegner im Landtag, die FDP, verwickelt sich immer tiefer in den vermasselten Neustart von Schwarz-Gelb im fernen Berlin. Und selbst der lange unverwundbare Ministerpräsident Jürgen Rüttgers scheint in diesen Tagen das Format eines Johannes Rau nicht mehr überzeugend zu füllen.
Vor diesem Hintergrund muss den Grünen die Erinnerung an den Rauswurf 2005 aus den Düsseldorfer Regierungssesseln vorkommen wie eine vor Urzeiten erlittene und längst bewältigte Niederlage. Tatsächlich darf der im Lebensabschnitt Ü 30 angekommene Landesverband mit Zuversicht auf den Wahltag 9. Mai schauen. Umfragen bestätigen ihnen ganz klar die Position der dritten Kraft im Lande. Delegierte erzählten beim Landesparteitag am Wochenende in Essen von ihren jüngsten Wunschträumen, bei denen die Linken auf 4,99 Prozent kamen und die FDP ähnlich abschmierte. Vorstellbar ist, dass sowohl SPD wie auch CDU gezwungen sein könnten, auf die Grünen zuzugehen und etwas bieten zu müssen. Manchmal wüchsen Pferden Flügel, hieß es, und Sylvia Löhrmann wurde bereits als neue Kultusministerin der Sonnenblumenfraktion wie ein Sommervogel gefeiert. Gerne übersehen wurde allerdings auch, dass eine Große Koalition alle grünen Luftballons zum Platzen brächte. Viel erstaunlicher für Beobachter war, dass sich kaum noch einer darüber aufregte, dass eine schwarz-grüne Koalition wie selbstverständlich auf dem Tableau der Möglichkeiten liegt. Früher wäre so etwas als erstes ausgeschlossen worden, inzwischen gibt es nur noch Halbsätze, dass etwa nicht jeder Christdemokrat so brauchbar sei wie Hamburgs Ole von Beust. Nein, die alten Fundamentalisten oder rigorosen Grundsatzverfechter haben die Partei verlassen, ein paar wenige haben bei den Piraten angeheuert, mehr bei der Linkspartei. Und dort liegt das Problem. Mit Sektierern, Chaoten und Leuten wie Sahra Wagenknecht, die SPD und Grüne allen Ernstes für Neoliberale halten, ist kein Staat und auch kein Koalitionsvertrag zu machen. Weder der ökologische Umbau mit dem Green New Deal noch die bürgerlichen Freiheitsvorstellungen der Grünen passen zum Kaderdenken der Linksextremen. Deshalb wollen die Grünen zur Not auch in der Opposition bleiben. Das wurde beim Parteitag nicht einfach daher gesagt, sondern war glaubhaftes und ehrliches Bekenntnis. Das verdient Respekt. Die NRW-Grünen des Jahres 2010 sind an der Basis weniger renitent, verfügen über große Wahlkampferfahrung, kokettieren nur noch mit dem Image der Anti-Parteien-Partei und haben sich große Glaubwürdigkeit erarbeitet. Mit dem Programm, das im Kern nicht wirklich neu, wohl aber inhaltlich stimmig und konsequent ist, hat man die besten Voraussetzungen für den Wahlkampf.
Quelle: Westfalen-Blatt