Börsen-Zeitung: Zum Halbjahr alles gut
Archivmeldung vom 29.06.2019
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Freigeschaltet durch André OttMit diesem Ergebnis hätte vor sechs Monaten kaum jemand gerechnet. Doch fällt die Bilanz zum Halbjahr für alle Assets durchweg positiv aus: Die Kryptowährung Bitcoin hat gut 200% an Wert gewonnen, Öl hat 27% zugelegt, und die Aktienmärkte haben sich mit einem Plus von 18% im S&P 500 und 17% im Dax von den Tiefs Ende 2018 wieder deutlich erholt (Berechnung jeweils in Euro).
Auch Gold kletterte um 11%, und selbst Bundesanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren erzielten einen Gewinn von knapp 5%. Dabei fällt auf, dass vor allem Risikoaktiva markante Wertzuwächse erzielt haben. Trotz Belastungsfaktoren wie anhaltenden Handelskriegs, konjunktureller Abschwächung und häufig wechselnder Ansichten des US-Präsidenten haben die Märkte offensichtlich vom Risk-off- in den Risk-on-Modus gedreht. Zurückzuführen ist die gute Halbjahresbilanz vor allem auf zwei Faktoren.
Zum einen fand im vergangenen Jahr und insbesondere zum Ultimo hin ein Ausverkauf bei Bitcoin und bei Aktien statt. Solche Abstürze führen zu ausgeprägten Erholungstendenzen, sobald die Richtung wieder wechselt. Zum anderen haben die Götter des Geldes, die großen Notenbanken wie Fed und EZB, einen von Volkswirten und Analysten kaum erwarteten Schwenk von einer Straffung hin zu einer wieder lockeren Geldpolitik vollzogen. Und das übrigens aus gutem Grund: Die Konjunktur zeigt Bremsspuren, und die Teuerungsrate fällt ausgesprochen niedrig aus. "Lower for longer" heißt jetzt wieder das Motto, das Niedrigzinsumfeld bleibt bestehen. Zum Halbjahr ist also alles gut, doch stellt sich natürlich die Frage, wie es in der zweiten Hälfte weitergeht. Bei Bitcoin fällt eine Prognose indes schwer. Dort ist sehr viel spekulatives Geld unterwegs, manches mutet wie ein Blase an, und markante Kurseinbrüche wie zuletzt am vergangenen Donnerstag sind immer möglich. Wer hier zocken will, sollte auf jeden Fall sein Risiko begrenzen.
Gold ist auf Sicht von zehn Jahren nur um 50% gestiegen, während der US-Aktienindex S&P 500 satte 220% zugelegt hat, so eine aktuelle Berechnung der Fondsgesellschaft DWS. Doch profitiert das gelbe Metall derzeit von geringen Opportunitätskosten in Form niedriger US-Realzinsen sowie seinem Nimbus als Stabilitätsanker in einer unsicheren Welt. Der jüngste Anstieg könnte sich also in der zweiten Jahreshälfte durchaus fortsetzen. An den Anleihemärkten liegt die Rendite zehnjähriger US-Treasuries bei gerade einmal 2%, während die Rendite zehnjähriger Bunds deutlich im negativen Bereich rangiert. Auch für Corporates sind die Renditen mau. Und im kurzfristigen Bereich hat die EZB den Zins ohnehin abgeschafft. Auch wenn ein deutlicher Zinsanstieg in den nächsten Monaten wenig wahrscheinlich ist, so sind die Performanceaussichten bei Fixed Income begrenzt. Unter Chance-Risiko-Aspekten erscheinen diese als keine gute Wahl.
Was tun im Null- oder Niedrigzinsumfeld? Diese Frage wird etliche Investoren auch in der zweiten Jahreshälfte umtreiben. Als Alternative bleiben die insbesondere in Europa noch moderat bewerteten Aktien, die auch eine attraktive Dividendenrendite von rund 4% bieten. Dies allerdings unter der Voraussetzung, dass die Notenbanken an ihrem Lockerungskurs festhalten. "Die Richtung ist klar: Zinsen runter und Liquidität weiter rauf", erwartet Frank Fischer, Chefstratege bei Shareholder Value, von den Notenbanken und sagt: "Für die Börsen ist das gut." Der Einbruch der Aktienmärkte im vergangenen Jahr scheint nur eine Korrektur in der langfristigen Aufwärtsbewegung zu sein, die im März 2009 begonnen hat. Der S&P 500 hat bereits ein neues Hoch erreicht, der Dax ist auf dem Weg dahin. Eines ist aber auch klar: Mit seinen hohen Gewinnen war das erste Halbjahr auch bei Aktien wohl die bessere Hälfte.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Werner Rüppel