WAZ: Wahl-Farce in Simbabwe
Archivmeldung vom 30.06.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDa ist sich die westliche Welt - fast - einig: Was Staatschef Robert Mugabe da in Simbabwe veranstaltet, verdient Ächtung. Der greise Diktator knechtet das Volk, führt sein Land zielsicher in die ökonomische Katastrophe, lässt seine Schlägertrupps brutal auf die Anhänger der Opposition los.
Und nun - quasi als Gipfel der Despotie - ernennt er sich selbst zum Gewinner einer "Wahl", bei der es nur einen Kandidaten gab: den 84-jährigen Mugabe selbst. Gegenkandidat Morgan Tsvangirai hatte unter dem Terror der Mugabe-Schläger kurz vor der Stichwahl aufgeben müssen.
Ob in Berlin, London oder Washington - die Empörung über Mugabe
ist ebenso heftig wie berechtigt. Doch dem Diktator hat die breite
Front seiner westlichen Kritiker bislang offenbar nichts anhaben
können. Ganz im Gegenteil: Mugabe wettert gegen den Westen, der ihn,
den alten Freiheitskämpfer, demontieren wolle - und seine Propaganda
stößt zumindest bei einem Teil der Afrikaner noch immer auf
Zustimmung.
Der Ruf der Europäer, die den Schwarzen Kontinent über viele
Jahrzehnte ausgebeutet und unterdrückt haben, ist noch für lange Zeit
lädiert. Welche Glaubwürdigkeit können Staaten in Afrika denn auch
erwarten, die das Apartheid-Regime in Südafrika lange Zeit
unterstützt oder zumindest still geduldet haben? Wie echt ist so
manche Empörung westlicher Politiker über den greisen Diktator -
jener Politiker, die den Völkermord in Ruanda tatenlos hingenommen
haben, die dem Gemetzel in Darfur bedauernd zusehen und die den
massenhaften Hungertod in Afrika als eine Art Naturgesetz
akzeptieren? Und: Wäre das Interesse an Simbabwe auch dann so groß,
wenn Mugabe nicht auch weiße (!) Farmer vertrieben hätte? Da kommt
schon der Verdacht auf, dass der Despot mit dem Hitler-Bärtchen
vielen als willkommener Beweis für die These dient, die Afrikaner
seien eben allein Schuld an ihrem Elend.
Es wäre also zuerst an den Afrikanern selbst, dem Spuk in Harare
ein Ende zu machen. Doch es besteht wenig Hoffnung, dass die AU, die
Afrikanische Union, die heute zu ihrem Gipfel in Ägypten
zusammenkommt, Mugabe zum Aufgeben drängt. In über der Hälfte der 53
AU-Staaten herrschen mehr oder weniger despotische Regime. Nur: Von
denen hört man in Europa wenig. Wie vom ägyptischen Autokraten
Mubarak, der sein Land undemokratisch lenkt und der die Opposition
unterdrückt. Aber: Mubarak gilt als Freund des Westens. Und da
schweigt man dann doch lieber in Berlin, London und Washington. Das
alles hilft Diktatoren wie Mugabe.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (von Lutz Heuken)