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Westdeutsche Zeitung: Die neue Macht der Gewerkschaften

Archivmeldung vom 11.01.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.01.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Acht Prozent mehr Gehalt wollen Verdi und der Beamtenbund für die 1,3 Millionen Mitarbeiter des Bundes und der Kommunen. Das "bescheiden" zu nennen, wie Beamtenbund-Chef Peter Heesen es tut, geht zu weit. Aber zu weit ginge es auch, diese Forderung als weltfremd zu verwerfen. Die Tarifparteien stehen vor harten Kämpfen, denn nach Jahren der Sparsamkeit gehen die Gewerkschaften zu Recht in die Offensive.

Die Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes haben, wie die meisten anderen Arbeitnehmer auch, nichts vom jüngsten Aufschwung, obwohl sie diesen durch ihren Lohnverzicht erst ermöglicht haben. Anders gesagt: Die Beschäftigten sorgen zwar für Wohlstand, aber nicht für den eigenen. Wer erleben muss, dass sein Weihnachtsgeld gestrichen und seine Arbeitszeit erhöht wird, zur gleichen Zeit aber die Bezüge von Managern in astronomische Höhen schnellen, der fragt sich nun einmal, ob es in dieser Republik noch mit (ge)rechten Dingen zugeht. Und so ist der Begriff "Gerechtigkeit" mit Wucht in die Debatte zurückgekehrt. Aus dem ursprünglichen Einverständnis der Arbeitnehmer, Verzicht für das Gemeinwohl zu üben, ist im kältesten Aufschwung der Nachkriegsgeschichte längst Unverständnis und Wut geworden. Es ist diese Wut, die auch die Gewerkschaften unter Druck setzt. Ihr Mitgliederschwund hat bis zuletzt immer dramatischere Ausmaße angenommen. Wann, wenn nicht jetzt, können sie den Verfall stoppen - oder den Trend sogar umdrehen? So legitim die Forderungen der Gewerkschaften aber sind: Unlauter bleiben die Ermunterungen von SPD-Bundespolitikern, sich nun "einen ordentlichen Schluck aus der Pulle" zu genehmigen. Dabei handelt es sich um Wahlkampfgetöse; schließlich müssen die chronisch klammen Kommunen und nicht der Bund die Hauptlast kräftiger Tarifsteigerungen im Öffentlichen Dienst tragen. Verdi und Beamtenbund stehen vor der Aufgabe, einerseits den emotional aufgeladenen Beschäftigten gerecht zu werden, andererseits aber nicht in Halsstarrigkeit zu verfallen. Denn ohne den Willen zum Kompromiss werden sie keine Gerechtigkeit herstellen, wohl aber den rapiden Abbau von Jobs in den Städten beschleunigen.

Quelle: Westdeutsche Zeitung (von Christoph Lumme)

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