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Börsen-Zeitung: Wirkungslose Entkoppelung

Archivmeldung vom 10.06.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.06.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Die Koppelung des Gaspreises an den Ölpreis ist eine jahrzehntealte freiwillige Vereinbarung zwischen den großen Importeuren wie Eon Ruhrgas und den großen Produzenten - allen voran Russlands Gazprom. Die Gasimporteure bieten ihren Lieferanten mit der Koppelung langfristige Einnahmensicherheit und erhalten dafür im Gegenzug von den Gasproduzenten langfristige Versorgungszusagen. Teilweise laufen die Verträge bis 2036.

Wer durch eine Abschaffung der Ölpreiskoppelung - wie sie jetzt das SPD-geführte Umweltministerium fordert - für sinkende Gaspreise sorgen will, müsste dies per Gesetz und also mit Zwang durchsetzen. Das wäre nicht nur ein Eingriff in die Vertragsfreiheit. Es würde zugleich unterstellen, dass Gas nur deshalb genauso teuer - oder zeitweise so billig - wie Öl ist, weil dies so vereinbart wurde.

Das ist aber nicht der Fall: Vielmehr gibt es mehrere Gründe dafür, dass der Gaspreis auch ohne die vereinbarte Koppelung dem Ölpreis folgen würde. So ist Gas auf mittlere Sicht immer ein potenzielles Substitut für Öl, wie auch für andere Brennstoffe. Ein Beispiel: Derzeit heizt - grob über den Daumen gepeilt - die Hälfte der deutschen Haushalte mit Gas, die andere Hälfte heizt mit Öl. Wäre Gas spürbar billiger, dann würden so lange Ölheizungen durch Gasheizungen ersetzt, bis sich die beiden Preise wieder anglichen.

Um den Gaspreis zu drücken, gibt es also Methoden mit besseren Erfolgsaussichten als die Entkoppelung. Dazu müsste der größte Oligopolist Russland unter Druck geraten. Ein erster Schritt wären vermehrte Lieferungen von verflüssigtem Erdgas per Tanker aus Nordafrika. Hinzu kommt in einigen Jahren die geplante Nabucco-Pipeline mit Gas aus der kaspischen Region. Des Weiteren müssen entferntere Substitute genutzt werden: in der Stromerzeugung, die derzeit hierzulande zu rund 10% auf Gas beruht, kann Gas unter anderem durch erneuerbare Energien oder Steinkohle ersetzt werden.

Klar ist übrigens auch, dass sich die Verbraucher bei steigenden Öl- und Gaspreisen wegen der Substituierbarkeit auch auf steigende Strompreise einstellen müssen. Und dies, obwohl hier durchaus keine Koppelung vereinbart ist! Bezahlt werden muss immer der Preis für die letzte zusätzlich und am teuersten produzierte Stromeinheit. Maßstab sind also die Grenzkosten, und die werden weiter steigen.

Quelle: Börsen-Zeitung (von Christoph Ruhkamp)

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