Zu früh schon locker
Archivmeldung vom 21.08.2020
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Freigeschaltet durch André OttDer Wahlkampf für 2021 hat begonnen. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz - im Hauptberuf Bundesfinanzminister - erfreute seine Parteifreunde mit der Nachricht, dass der Bund auch im nächsten Jahr noch einmal die Ausnahmeregelung bei der Schuldenbremse in Anspruch nehmen muss. Auch wenn die Ankündigung in der Sache nicht wirklich überrascht - CDU und CSU reagierten pikiert. Dieser Kurs war bislang so nicht abgestimmt.
Wenig überraschend ist die Aussage von Scholz, weil weder Rot noch Schwarz inmitten der Corona-Wirtschaftskrise die finanzpolitischen Zügel übermäßig anziehen wollen, nur um die Schuldenbremse einzuhalten. Dies gilt schon gar für das Wahljahr, in dem die politisch Verantwortlichen keine lahmende Wirtschaft, hohe Arbeitslosigkeit oder viele Unternehmensinsolvenzen gebrauchen können. Das Ende der Wirtschaftskrise hängt eng mit der Entwicklung der Pandemie zusammen. Wann es gelingt, das Virus unter Kontrolle zu bringen, ist offen.
Eine finanzpolitische Binsenwahrheit ist es auch, nicht in eine Krise hinein zu sparen. Es geht aber um Glaubwürdigkeit, wenn ein Ergebnis, das am Ende stehen muss, schon als Startpunkt definiert wird: die Ausnahme von disziplinierenden Vorgaben für die Neuverschuldung. Die Schuldenbremse erlaubt dem Bund eine kleine Nettokreditaufnahme, bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt, und eliminiert ohnehin Konjunktureffekte.
Die Regelung steht vor einer Bewährungsprobe. In den florierenden Jahren seit 2014 konnte der Bund ohne Mühe Überschüsse ausweisen - und selbst in der Flüchtlingskrise noch Reserven ansammeln. Die Covid-19-Pandemie hat erstmals die Ausnahme von der recht neuen Schuldenregelung erfordert. Dies darf nicht zum laxen Umgang verführen, wenn die Reform des Grundgesetzes für Haushaltsdisziplin Bestand haben soll. Die Bundesregierung hat die Etatplanung für 2021 bewusst in diesen Herbst geschoben, um klarer zu sehen. Nun muss sie auch erst schauen und rechnen, bevor sie entscheidet, ob sie den Bundestag erneut um Dispens bittet.
Ohne Not stellt Scholz zudem ein Instrument zur Disziplinierung der übrigen Ministerien in der Bundesregierung infrage. Die Krise hat die Ressortchefs in alte Muster zurückfallen lassen: Ganz nach dem Motto "Viel hilft viel" fordern sie für die nächsten Jahre hohe Ausgaben - weit über das vereinbarte Niveau hinaus. Dies gilt auch für unionsgeführte Häuser. Etatdisziplin ist eben für alle schwer zu üben. Schon deshalb braucht es verbindliche Regeln mit Biss.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Angela Wefers