Westdeutsche Zeitung: Der Ölmarkt wird immer unheimlicher
Archivmeldung vom 23.05.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSchocks vom weltweiten Ölmarkt ist der Verbraucher inzwischen ggewohnt. Gestern kam es aber ganz dicke: Erstmals kletterte der Rohölpreis über die 130-Dollar-Marke. Und gleichzeitig legten Fachleute, die sich in einer angeblich unabhängigen Energy Watch Group zusammengeschlossen haben, eine niederschmetternde Studie vor: Das Öl reicht bei ihnen nur noch für rund 30 Jahre.
Die Internationale Energieagentur rechnet dagegen mit rund 40 Jahren und dem Faktor X, also Tiefseeöl und Ölsand.
Nun, nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Mitte der 60er Jahre gab es von Esso - heute Exxon - einen großartigen Bildband mit dem Titel "Öl reicht nur noch für 25 Jahre". Eigentlich hätte danach in den 90er Jahren mit dem Öl Schluss sein müssen - wir fahren aber immer noch Auto, wenn auch zu derzeit horrenden Spritkosten.
Prognosen werden im Laufe der Zeit meist Makulatur. Den Vorhersagen von Energy Watch, die kurzer Hand die Reserven im Nahen Osten halbiert haben, um zu ihrem Horror-Ergebnis zu kommen, könnte es ähnlich ergehen. So sind beispielsweise Kanadas Ölsände, deren Abbau mit steigenden Ölpreisen immer lohnender wird, nicht in der Rechnung enthalten. Gleiches gilt für die jüngst gefundenen großen Ölfelder vor Brasiliens Küste.
Dennoch wird der weltweite Ölmarkt immer unheimlicher und der ständig steigende Ölpreis lässt sich realwirtschaftlich kaum noch erklären. Der Öl-Terminmarkt, in dem viele Spekulanten mangels Möglichkeiten im krisengeschüttelten Weltfinanzmarkt ihr Unwesen treiben, hat sich inzwischen vom physischen Markt völlig losgelöst. Investmentbanker heizen mit immer neuen Prognosen und angeblichen Lieferengpässen die Preise an. Für das vierte Quartal sind etwa von Goldman Sachs bereits 145,60 Dollar für die US-Referenzsorte WTI gesetzt, innerhalb von zwei Jahren sollen es über 200 Dollar werden. Nach diesen Prognosen investieren die Anleger. Die Hausse beim Öl nährt inzwischen die Hausse.
Wie an der Börse üblich muss das aber keine Einbahnstraße sein. Die Spekulationsblase könnte schneller als manchen "Spielern" lieb ist platzen. Denn am realen Markt soll es genügend oder sogar bereits an Überangebot an Öl geben. Zur Not könnte auch noch die Opec eingreifen.
Quelle: Westdeutsche Zeitung (von Ingo Faust)