Neues Deutschland: zur Gerechtigkeit in Deutschland
Archivmeldung vom 30.11.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt»Man wird moralisch, sobald man unglücklich ist« - nicht nur Marcel Proust war auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Auch der Bundespräsident ist es. Und hört man sein Klagen über Unternehmer, die die Bodenhaftung verlieren, nur auf den eigenen Kontostand schielen und so den sozialen Frieden gefährden - dann ist Horst Köhlers Unglück geradezu greifbar.
Allerdings: So hilfreich, wie der DGB-Chef die Äußerungen des
Staatsoberhauptes auch empfinden mag - Appelle dieser Art sind
inzwischen schon mehrfach verhallt. Roman Herzog hat auf den Ruck,
der durchs Land gehen muss, vergeblich gewartet, Johannes Rau das bei
Politikern und Unternehmern in seiner letzten Berliner Rede
angemahnte Vertrauen in Deutschland nicht hinbekommen. Alle nicken,
klatschen und zeigen sich ergriffen - und weiter geht's im realen
Alltag des real existierenden Kapitalismus. Ellenbogen raus und rein
in den Selbstbedienungsladen, so lange man noch Zutritt hat. Insofern
dürften Köhlers Appelle an Mäßigung und Vorbild in vielen
Vorstandsetagen allenfalls betretenes Schweigen, wenn nicht
homerisches Gelächter auslösen. Bundespräsidenten sind für
Sonntagsreden da. Von Montag bis Freitag haben andere das Sagen.
Manager, die auf den Zwang des Faktischen, Konkurrenz und
Globalisierung verweisen. Und Politiker, die der gleiche
Bundespräsident gerade wieder aufgefordert hat, in ihrem Reformeifer
nicht zu erlahmen. Doppelmoral ist eben keine Steigerungsform von
Moral.
Quelle: Pressemitteilung Neues Deutschland